Hamburg: Naumann vs. von Beust:TV-Duell mit Oh-Gott-Moment

Bisweilen bissig ist das Streitgespräch der beiden Spitzenkandidaten verlaufen. Alles lief auf ein Unentschieden der beiden Hanseaten hinaus - bis einer einen Blackout hatte.

Oliver Das Gupta

Michael Naumann konnte einem leid tun: Nach fast überstandenem TV-Duell durfte sich der Spitzenkandidat der Hamburger SPD mit einer Schlussbemerkung ungestört an die Wähler richten. Direkt schaute Naumann in die Fernsehkamera und somit in die Augen Abertausender Hamburger Wähler - und redete plötzlich Unsinn: "Wir werden die Kinder- und Jugend- und Studiengebühren abschaffen."

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Ole von Beust und Michael Naumann beim Handshake vor der Sendung. Während des Rededuells und danach gaben sich die Spitzenkandidaten nicht mehr die Hand

(Foto: Foto: ddp)

Kindergebühren?

Naumann, der rhetorisch so versierte Intellektuelle, bemerkte den Fehler sofort und stockte. Doch die Zeit lief. Also weiter. Zwei Sätze später folgte der vollständige Faux-pass: "Wir werden die Stundien...entschuldigung...wir werden die Pläne an den Schul... oh Gott!". Naumann kniff beide Augen zusammen, blickte zum Moderator, lächelte verlegen, versuchte, sich zu sammeln.

Ausgerechnet im TV-Duell patzte Naumann, ausgerechnet auf dem Feld, an dem er Ole von Beust stellen und bezwingen wollte. Monatelang sei der CDU-Bürgermeister jeder öffentlichen Diskussion aus dem Weg gegangen, schimpfte Naumann in einem sueddeutsche.de-Interview noch Anfang Februar. Das sei ein "seltsames Demokratie-Verständnis."

Menschelnde Minuten

Zehn Monate war der Herausgeber der Zeit und frühere Kulturstaatsminister über Hamburger Plätze, durch Straßen und Einkaufszentren gezogen, hatte einen Ein-Mann-Wahlkampf geführt. Amtsinhaber von Beust stieg erst Anfang des Jahres ein. Die sozialdemokratischen Strategen mutmaßten, dass der Bürgermeister vor einer direkten Auseinandersetzung mit seinem redegewandten Gegner zurückschrecke und verwiesen auf das Gezerre um das TV-Duell: Das Naumann-Lager wünschte sich den Mittwoch vor der Wahl, Beusts Leute pochten auf einen früheren Termin.

Man einigte sich auf den Sonntag vor der Wahl. Der NDR sendete live, die Moderation übernahm Fernseh-Chefredakteur Andreas Cichowicz - eine gute Wahl: Der Journalist erledigte seine Aufgabe souverän.

Cichowicz stand während des Duells zwischen den Kandidaten, zur Linken Ole von Beust, rechts Michael Naumann. Beide Politiker sollten zu Beginn ein paar Worte zur Causa Zumwinkel sagen, beide empörten sich über Steuerhinterzieher, so etwas sei "unanständig".

Doch damit war es mit dem Einer-Meinung-Sein auch schon vorbei: Naumann schaltete auf Attacke und forderte mit Blick auf Hamburg zugleich, mehr Steuerprüfer einzustellen. Immer wieder sollte der Herausforderer im Laufe des TV-Duells den Bürgermeister angreifen.

Nach weiteren menschelnden Minuten, in denen die Politiker darüber plaudern durften, wie sie sich in Wahlkampfzeiten entspannen (Beust: "Ich versuche, genug Schlaf zu kriegen"; Naumann: "Ich entspanne in Interviews wie diesen, (...) habe etwas Gewicht verloren"), ging es ans Eingemachte: Nach und nach wurden die Themenfelder abgeklopft, die die Hamburger bewegen und zugleich mit aktuellen Umfragezahlen gezeigt, wen die Bürger für kompetenter halten.

Die Ergebnisse der Umfragen waren für Ole von Beust und seine CDU nicht schmeichelhaft: Lediglich in Sachen Wirtschaft hielten die Befragten die Konservativen für klar besser geeignet, der Vorsprung in der Inneren Sicherheit war deutlich, aber nicht überragend. In Bereich der Bildungs- bis zur Sozialpolitik wurde der SPD deutlich mehr Kompetenz zugesprochen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Michael Naumann sich von Altkanzler Gerhard Schröder abgeschaut hat und in welchen Situationen auch der sonst so staatstragend wirkende Ole von Beust giftig klang.

"Oh Gott!"

Moderator Cichowicz konfrontierte Ole von Beust mit unangenehmen Zahlen, wie den 71 Prozent, die mit der Bildungspolitik des Senats unzufrieden seien. Der Bürgermeister wich oft aus, er sprach von den Maßnahmen hier und rot-grünen Altlasten da, und endete dann mit Sätzen wie: "Es kommt wichtige Arbeit auf uns zu". Souveränität klingt anders.

Hamburg: Naumann vs. von Beust: Dicke Freunde werden sie wohl nicht mehr: Michael Naumann (li.) und Ole von Beust

Dicke Freunde werden sie wohl nicht mehr: Michael Naumann (li.) und Ole von Beust

(Foto: Foto: ddp)

Doch auch Naumann musste ungemütliche Minuten überstehen, als er gefragt wurde, wie er all die schönen Wahlversprechen finanzieren möchte. Der Sozialdemokrat nannte unter anderem den Verzicht auf Prestigeobjekte als Geldquelle.

Als er ein Beispiel geben sollte, sprach Naumann von einer Fußgängerbrücke, die nicht gebaut werden müsse, da würde man sich 19 Millionen Euro sparen - ein Klacks im Hinblick auf den Milliardenbedarf. "Herr Naumann verspricht das Blaue vom Himmel", kommentierte von Beust, eine der wenigen Situationen, in denen der Konservative giftig klang.

Der Part des Attackierenden war Michael Naumann überlassen: Ganz nach Schröder-Manier redete Naumann immer wieder rein, wenn von Beust das Wort hatte, doch nicht mit dem Erfolg, den der Altkanzler mit dieser Taktik seinerzeit bei seinen Rededuellen mit Edmund Stoiber hatte. Ole von Beust ließ sich nicht beirren, auch wenn manches auswendig gelernt klang.

Die Sache mit dem Stolz

In einigen Situationen wurden die sich sonst so gern staatstragend gebenden Kandidaten auch persönlich. So belehrte Naumann den "lieben Herrn von Beust" genüsslich, "ein bisschen verstehe ich schon von Wirtschaft" und verwies auf seine frühere Tätigkeit als Geschäftsführer des Rowohlt-Verlages.

In ähnlichem, gönnerhaften Tonfall kommentierte Naumann von Beusts Loblied auf das Hamburger Stifter- und Mäzenatentum: Das sei wohl eine Folge auch seiner Politik, denn schließlich habe er als Kulturstaatsminister ein neues Stiftungsrecht auf den Weg gebracht. Ole von Beusts bissige Reaktion: "Ich beneide Menschen, die so uneingeschränkt stolz auf sich sind, Herr Naumann." Dicke Freunde werden die beiden wohl nicht mehr werden.

Gegen Ende des TV-Duells durfte Naumann noch erklären, auch bei einer Niederlage in die Bürgerschaft einziehen zu wollen und von Beust beteuern, dass für ihn der Posten des Hamburger Bürgermeisters das "schönste Amt in der deutschen Politik" sei.

Unterm Strich lief es auf ein Unentschieden der Kandidaten hinaus, wären da nicht die letzten Minuten gewesen. Da bat der Moderator die beiden, sich kurz mit ihren Schlussbemerkungen direkt ans Wahlvolk zu wenden. Michael Naumann sprach plötzlich von "Kindergebühren" und brachte danach mit Mühe seine kleine Ansprache zu Ende.

Gerne hätte man Ole von Beusts Mimik gesehen. Vielleicht ist ihm ein Hauch Mitleid übers Gesicht gehuscht.

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