Hamburg: SPD im Stimmungshoch:Der Druck der alten Tante

Wechselstimmung in Hamburg, die SPD ist wieder eine Attraktion. Zum Auftakt der heißen Wahlkampfphase fühlen sich die Sozialdemokraten sogar so stark, dass sie den Grünen keinen Zentimeter entgegenkommen.

Ralf Wiegand, Hamburg

Wechselstimmung fühlt sich so an wie an diesem Abend in Langenhorn. Hamburg-Langenhorn wäre ein Stadtteil wie viele andere in der Hansestadt, stünde dort nicht das weltberühmte Reihenhaus der Schmidts. Helmut und Loki Schmidt haben in ihrem Eigenheim die Wichtigsten der Wichtigen zu Gast gehabt, und vielleicht ist es deswegen so voll im Langenhorner Kulturzentrum "LaLi": Weil Helmut Schmidt auch gekommen ist. Der Ex-Kanzler, Witwer seit vergangenem Oktober, sitzt in Reihe eins, beiges Sakko, wacher Blick.

Helmut Schmidt bei Wahlkampfveranstaltung der SPD Hamburg

Hamburgs SPD mit neuem Selbstbewusstsein: Ex-Kanzler Helmut Schmidt und Spitzenmann Olaf Scholz.

(Foto: dapd)

Die Wechselstimmung also: dicke Luft in einem überfüllten Saal an einem ganz normalen Wochentag nach Feierabend. Die Menschen stehen eng an eng an allen Wänden, hocken auf den Fensterbänken, kauern in den Gängen. Im schmalen Flur vor dem Saal recken diejenigen ihre Hälse, die nicht mehr reingepasst haben. Sie hören zu, sie klatschen viel. Die SPD, ob mit Schmidt oder ohne, ist wieder eine Attraktion. Am Kopf des Saals bespielt Olaf Scholz, der Spitzenkandidat für die kommende Bürgerschaftswahl, allein die Bühne. Das Programm, mit dem er durch die Stadt tourt, heißt "Olaf Scholz im Gespräch". Die meiste Zeit spricht er mit sich selbst, vor einem tiefroten, weich schwingenden Vorhang tänzelt er von Szenenapplaus zu Szenenapplaus.

So geht das jetzt öfter in Hamburg, und aus der Wechselstimmung ist schon vor dem Auftakt zur heißen Wahlkampfphase eine Überzeugung geworden: Die SPD wird's machen. Als "die Hamburg-Partei" hat das Abendblatt sie neulich geadelt und der SPD damit fast reumütig einen Titel zurückgegeben, den sie in neun Jahren CDU-Regentschaft verloren hatte. Manche dachten schon für immer. Anja Hajduk, die Spitzenkandidatin der Grünen, sieht solche Stimmungen mit Sorge: "Das ist nicht das, was ein zukunftsfähiges Hamburg braucht." Sie meint eine allmächtige SPD.

Bisher hatten die Grünen, die in Hamburg GAL heißen, ihre Angst vor einer absoluten Mehrheit der SPD nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Schon am Tag der geplatzten schwarz-grünen Koalition keimte in der Zentrale der Grünen die Furcht vor einer vor Kraft strotzenden SPD. Die Begeisterung, die anfangs herrschte über das neue Politik-Modell von GAL und Union, könnte nun aus Enttäuschung über dessen Scheitern zurückschnalzen wie ein stramm gespanntes Gummiband und all die Wähler, die der Sozis überdrüssig waren, wieder in die Arme der alten Tante SPD treiben. Dann wäre kein Platz mehr für die Grünen in der Regierung. Weil die Umfragewerte der SPD eher steigen als fallen (zuletzt 43 Prozent laut Infratest dimap), haben die Grünen das jetzt offiziell in den Wahlkampf eingeführt: Nicht alle Macht der SPD! Das führt zu Härten in der Rhetorik, etwa wenn der grüne Ex-Justizsenator Till Steffen vor Scholz warnt wie vor der Schlange Kaa aus dem "Dschungelbuch": "Hör' auf mich, glaube mir. Augen zu, vertraue mir." Scholz als Verführer demnach. Im Prinzip steuern GAL und SPD aber aufeinander zu; denn den Grund für das Scheitern der Regierung sucht die Öffentlichkeit eher bei der CDU. Der Rücktritt von Ole von Beust, die folgende Massenflucht von CDU-Senatoren und die Skepsis der Union gegenüber grünen Punkten im Regierungsprogramm hätten die GAL zwangsläufig aus dem Rathaus getrieben. Ihre Umfragewerte blieben gut (jetzt 17 Prozent), während die CDU auf 26 Prozent einbrach.

Dazu hatte auch die SPD beigetragen, die zwar den Bruch der schwarz-grünen Koalition herbeiredete, dabei aber die Grünen schonte. Landeschef Olaf Scholz hätte zwar leichtes Spiel gehabt, in seiner Partei Stimmung gegen die GAL zu machen, jene Grünen, die sich, beinahe angewidert von mehr als 40 Jahren SPD-Regentschaft, der CDU in die Arme geworfen hatten; aber Scholz setzte sofort nach seinem Amtsantritt als SPD-Landeschef auf Annäherung. Man könne den Grünen nicht übelnehmen zu regieren. Und: Wir werden sie bald brauchen.

Das Lustige ist: Während die Grünen an der Macht und die Sozialdemokraten in der Opposition waren, war Scholz zur GAL netter als jetzt. Nun spottet er öffentlich über die Ex-Regierung, die eher "eine WG gewesen sei, wo sich ja alle so gut verstanden haben". Nach dem Scheitern würden sich die Grünen nun in die Büsche schlagen und glauben, "nur weil sie grün sind, merkt das keiner". Und habe die CDU nicht derart nach dieser Regierung gegiert, dass sie Koalitionsverhandlungen nach dem Stil geführt habe: "Wo bitte sollen wir unterschreiben?" Die Botschaft lautet: Mit uns, der SPD, werdet ihr es schwerer haben.

Tatsächlich serviert Olaf Scholz dem möglichen Partner schon im Wahlkampf eine bittere Mitgift. Den designierten Wirtschaftssenator Frank Horch etwa, den schon die CDU gern gehabt hätte, der sich aber bei der GAL nicht durchsetzen konnte. Horch, Ex-Chef der Handelskammer, bringt eine wirtschaftsfreundliche Politik mit, zu der auch die Elbvertiefung gehören wird. Bisher wurde darüber immer nur geredet - die nächste Regierung muss handeln. Die Stadtbahn, ein grünes Prestigeprojekt, hat Scholz als unbezahlbar verworfen. Und auch bei der Energiepolitik oder in Sachen Studiengebühren, deren Abschaffung Scholz eine gewisse Skepsis entgegenbringt, kommt das SPD-Programm den Grünen keinen Zentimeter entgegen.

Für die GAL fühlt sich die Wechselstimmung derzeit gar nicht so gut an.

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