Süddeutsche Zeitung

Hamburg:Große Zerknirschung

Nach den Protesten gegen die Vorlesung des AfD-Mitgründers Bernd Lucke ragiert die Universität seltsam uneindeutig.

Von Bernd Kramer

Es waren tumultartige Szenen am Mittwoch im Hörsaal B der Uni Hamburg: Mit Buh-Rufen begrüßten Studierende den AfD-Mitgründer Bernd Lucke, der seit diesem Semester wieder an der Uni Hamburg lehrt. "Nie, nie, nie wieder Lucke", riefen Protestierende in Sprechchören. Aber auch: "Nazis wollen wir raus aus der Uni." Seine Vorlesung konnte der Volkswirtschaftsprofessor Lucke nicht halten, am Ende musste er den Hörsaal unter Polizeischutz verlassen.

Inzwischen erscheint die Zerknirschung über den Protest groß. Am Mittwochabend gaben Uni-Präsident Dieter Lenzen und Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) eine gemeinsame Erklärung heraus, die eher Fragen aufwirft als beantwortet: "Die Durchführung freier wissenschaftlicher Lehre gehört zu den grundgesetzlich garantierten Pflichten und Rechten jedes Hochschullehrers und jeder Hochschullehrerin. Der Staat ist verpflichtet, die Durchsetzung dieser Rechte grundsätzlich zu gewährleisten", schreiben sie in dem Statement - was sich als Kritik an den Störungen verstehen lässt. Allerdings lassen sie auch Verständnis für den Protest durchblicken: "Unabhängig davon ist festzustellen, dass Universitäten als Orte der Wissenschaft die diskursive Auseinandersetzung auch über kontroverse gesellschaftliche Sachverhalte und Positionen führen und aushalten müssen - insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte", heißt es weiter.

An dem Statement wurde vor allem in den sozialen Medien Kritik laut. Der Landesvorsitzende der Jungen Union in Hamburg, Philipp Heissner, bezeichnete die gemeinsame Erklärung auf Twitter als "lasche Reaktion". Ähnlich äußerte sich die Hamburger AfD-Fraktion. Die Universität kündigte am Donnerstag an, sich ausführlicher zu den Vorfällen äußern zu wollen. Im Vorfeld hatte die Universität demonstrativ zur Causa Lucke geschwiegen. Noch im Juli hatte eine Uni-Sprecherin der Tageszeitung Die Welt gesagt: "Das Präsidium darf und möchte sich nicht zu seiner politischen Vergangenheit oder zu seinem Dienstverhältnis äußern."

Auch die Studierendenvertreter, die am Morgen vor der Vorlesung eine friedliche Demonstration vor dem Hauptgebäude der Uni veranstaltet hatten, distanzierten sich von den Störungen: "Wir als Allgemeiner Studierendenausschuss haben die Kundgebung organisiert, aber weder die Studierenden dazu aufgerufen, sich in die Vorlesung zu setzen, noch diese zu stören", schreibt der Asta in einem Statement. Ein Seminar Luckes fand am Donnerstag ohne Zwischenfälle statt. Zwei junge Frauen, die an dem Seminar teilnehmen wollten, aber nicht angemeldet waren, wurden von Lucke hinausgebeten - mit dem Hinweis, er kenne sie vom Vortag.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2019
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