Hamburg:Fall von politischer Brisanz

Ein Asylbewerber ist nach einer angeblichen Vergewaltigung wieder auf freiem Fuß - die Polizei hat Zweifel an der Version des mutmaßlichen Opfers.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Jetzt ist diese Geschichte einer angeblichen Vergewaltigung in Hamburg also nicht mehr so klar, wie sie für manche zunächst klang. Am Samstag vergangener Woche wurde in der Hansestadt ein 30 Jahre alter Afghane festgenommen, er soll sich an einer 14-Jährigen vergangenen haben. Sofort wurde debattiert, ob man ihn nicht längst hätte abschieben müssen, ob also Staatsversagen vorlag, denn er ist bereits mehrfach vorbestraft und außerdem ausreisepflichtig. Am Freitagabend wurde der abgelehnte Asylbewerber nun wieder aus der U-Haft entlassen. Für die Staatsanwaltschaft besteht kein dringender Tatverdacht mehr - sie zweifelt daran, dass die Version des Opfers so stimmt.

Das Mädchen hatte den Behörden berichtet, der Mann habe sie am Hauptbahnhof angesprochen und sie dann am Eingang eines großen Elektrofachmarktes missbraucht, in einer viel frequentierten Einkaufsstraße. Er soll stark alkoholisiert gewesen sein. Danach sei er ihr in der U-Bahn durch die halbe Stadt gefolgt, ehe sie in einer Tankstelle um Hilfe bat und die Polizei eintraf. Ein Atemalkoholtest des Beschuldigen ergab 2,24 Promille. Anderntags ordnete ein Richter seine weitere Festsetzung an, es bestehe Fluchtgefahr.

Die Polizei hat Zweifel an der Version des mutmaßlichen Opfers

Ermittler prüften danach die Aussagen der Geschädigten, offenbar unter anderem mit Hilfe der Bilder von Überwachungskameras. Sie stellten fest: "In wesentlichen Punkten ließen sich ihre Angaben nicht mit dem übrigen Beweisergebnis vereinbaren", sagt Carsten Rinio, Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft. So seien "gewisse Zweifel an der ganzen Geschichte aufgekommen". Ermittelt wird weiterhin, aber eine Untersuchungshaft war nicht mehr zu rechtfertigen.

Der Fall ist heikel, die Sache schlug Wellen. Rasch wurde bekannt, dass der Verdächtige schon wegen anderer Strafsachen aufgefallen war. 2011 sei er nach Hamburg gekommen und zunächst nach Mecklenburg-Vorpommern geschickt worden, dort habe das Bundesamt seinen Asylantrag abgelehnt. 2012 heiratete er eine Hamburgerin und bekam eine Aufenthaltsgenehmigung, seither wurde er gemäß der Staatsanwaltschaft neun Mal verurteilt. Es ging um Geldstrafen wegen kleinerer Delikte, aber auch um eine Bewährungsstrafe 2016 wegen Körperverletzung und 2017 eine Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe wegen bewaffneten Diebstahls und schwerer Erpressung. Letzteres Urteil wurde vom Bundesgerichtshof aufgehoben, das Landgericht Hamburg muss die Sache neu verhandeln. Eine Abschiebung nach Afghanistan lehnte die Staatsanwaltschaft bisher ab. Die Strafverfolgung gehe vor.

Das hatte nach der mutmaßlichen Vergewaltigung mehrere Politiker und Medien erregt. Senat und Staatsanwaltschaft wollen deshalb sogar grundsätzlich erörtern, ab wann künftig abgeschoben werden soll. Die Staatsanwaltschaft hat angesichts ihrer Zweifel am Tathergang jetzt den Verdacht, dass sich diese Causa doch nicht so gut für diese Diskussion eignet. Wird das Missbrauchsverfahren eingestellt, dann steht dem Afghanen wegen sechs Tagen U-Haft sogar eine Entschädigung zu. Auf einen neuen Prozess wegen seiner alten Anklage wartet er dennoch. Und die Debatte über Abschiebungen geht weiter.

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