Hambacher Forst:Mit Baggern gegen Barrikaden

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RWE und Polizei stellten ihr Vorgehen im Hambacher Forst als eine Art "Säuberung" des Waldes dar. (Foto: REUTERS)
  • Unter Polizeischutz lässt der Kohlekonzern RWE erste Hindernisse aus dem besetzten Hambacher Forst räumen.
  • Braunkohlegegner protestieren, drei Waldbesetzer werden in Gewahrsam genommen.
  • RWE behauptet, ohne eine baldige Rodung des Waldes sei die Stromversorgung aus Braunkohle gefährdet. Umweltorganisationen widersprechen.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Mehrere Hundertschaften der Polizei sind am Mittwoch in den von Umweltaktivisten besetzten Hambacher Wald vorgedrungen. Die Polizisten schützten etwa 200 Mitarbeiter des Energiekonzerns RWE, die Barrikaden auf Waldwegen, aber auch sogenannte "waldfremde Gegenstände" wie Zelte, Sitzmöbel oder Kochgeschirr der Besetzer wegräumten. Die mindestens 60 bewohnten Baumhäuser im etwa 200 Hektar großen Forst waren kein Ziel der Aktion. Die Polizei betonte, es handele sich nicht um den Beginn einer Räumung. Bis zum späten Nachmittag wurden mindestens zwei Polizisten verletzt und drei Waldbesetzer in Polizeigewahrsam genommen.

RWE betreibt in unmittelbarer Nähe des Forstes den Braunkohletagebau Hambach. Das Unternehmen hat von 1. Oktober an das Recht, den 12 000 Jahre alten Wald zu roden. Klimaschützer und zum Teil militante Umweltaktivisten deuten den Kampf um den Hambacher Wald als symbolischen Konflikt um eine schnellere Energiewende und den raschen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Umweltverbände und Grüne fordern, zumindest während der Verhandlungen der sogenannten Kohle-Kommission in Berlin die Abholzung per Moratorium auszusetzen.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wie auch die SPD-Opposition im Düsseldorfer Landtag haben diese Forderung zurückgewiesen. RWE behauptet, ohne baldige Rodung sei die Stromversorgung aus Braunkohle gefährdet. Berechnungen von Umweltorganisationen wie etwa dem BUND widersprechen diesen Aussagen.

Braunkohlegegner protestierten scharf gegen das Vorgehen

RWE und Polizei stellten ihr Vorgehen am Mittwoch als eine Art "Säuberung" des Waldes dar. Mit Baggern und Räumfahrzeugen wurden mehrere Barrikaden beseitigt, die den Zugang zum Wald versperrten. Zugleich wurden Gruben und Gräben auf Wegen zugeschüttet. Unter den Baumhäusern räumten die RWE-Mitarbeiter sämtliche Gegenstände weg, die Besetzer in den vergangenen Wochen in den Wald gebracht hatten, darunter Planen, Baumaterial, Zelte und Schlafsäcke. Auch wurden Schilder und Infotafeln niedergerissen. Von den Baumhäusern aus begleiteten Besetzer die Arbeiten mit Protestrufen.

Einzelne Waldbesetzer, so die Polizei, hätten die Beamten mit Fäkalien beworfen und mit Urin bespritzt. Eine Aktivistin, die sich an ein hohes Holzgestell angekettet hatte, wurde festgenommen. Ein anderer Baumschützer, der sich in einem Erdloch selbst an einer Metallvorrichtung fixiert hatte, wurde ebenfalls abgeführt. Wiederholt wurde der Einsatz durch offensichtliche Attrappen von Sprengkörpern verzögert: Um jedes Restrisiko zu vermeiden, mussten Experten des Landeskriminalamtes mehrere verkabelte Feuerlöscher sowie einen Plastikkanister überprüfen, an dem ein Handy als vermeintlicher Zünder angebracht worden war.

Braunkohlegegner protestierten am Mittwoch scharf gegen das Vorgehen. "RWE provoziert und betreibt die Eskalation", erklärte Andreas Büttgen von der örtlichen Bürgerinitiative "Buirer für Buir". Büttgen appellierte an die Waldbesetzer, nicht mit gewaltsamen Aktionen zu reagieren. Ein Sprecher der Organisation "Aktion Unterholz" sagte, die Durchsuchungen vom Mittwoch seien "der Beginn der geplanten Räumung des Waldes". Seine Gruppe werde nun alle Unterstützer aufrufen, in das Rheinische Braunkohlerevier zu kommen "und sich am zivilen Ungehorsam zu beteiligen". Vorhaltungen von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), einige gewaltbereite Aktivisten planten am Hambacher Forst "ein zweites Hamburg" wie beim G-20-Gipfel 2017, wiesen mehrere Sprecher zurück.

Für Mittwochabend hatten Kohlegegner zu einem Protestmarsch vom Ort Kerpen-Buir zum Waldrand aufgerufen. Politische Unterstützung aus dem nordrhein-westfälischen Landtag erhielten die Umweltschützer am Mittwoch nur von den Grünen: Deren Fraktionsvorsitzende Monika Düker forderte RWE noch während eines Besuchs im Wald auf, einen Dialog mit seinen Widersachern zu beginnen: "Reden statt roden ist das Gebot der Stunde."

© SZ vom 06.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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