Hamas-Propaganda:Traumfabrik des Terrors

"Made in Hamaswood". Die radikale Palästinenserorganisation Hamas verhöhnt mit einem höchst professionellen Propagandafilm Israel.

Peter Münch, Tel Aviv

Einsam läuft ein Mann durch menschenleere Straßen, Traurigkeit lastet auf seinen Schritten. Unter dem Arm trägt er ein Bild seines Sohnes, er scheint auf der Suche zu sein und wirkt doch ziellos. Düstere Klänge begleiten seinen Weg, und irgendwann sagt aus dem Off eine etwas brüchige, allzu bekannte Stimme: "Mutter und Vater, meine Freunde, ich grüße euch aus dem Gefängnis. Ich vermisse euch."

Animationsvideo, AP

Zynisches Animationsvideo: Ein gealterter Noam Schalit sitzt neben dem Bild seines von der Hamas entführten Sohnes, des Rekruten Gilad Schalit.

(Foto: Foto: AP)

Es ist die Stimme seines Sohnes, und verzweifelt senkt der Vater den Kopf. Was für ein Drama - und was für ein Film. Denn dies ist der feingepixelte Ausschnitt aus einem neuen computeranimierten Video. Es erinnert an die Pixar-Streifen aus Hollywood. Doch das Drehbuch ist "Made in Hamaswood".

Drei Minuten dauert der Film, den die palästinensische Hamas übers Internet verbreitet hat. Sie lässt darin einen einsamen Noam Schalit nach seinem Sohn suchen, dem vor fast vier Jahren in den Gaza-Streifen entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit. Es ist das Drama einer Familie, das zum Drama einer ganzen Nation wurde - und die Hamas nutzt dies nun zu einem Propaganda-Schlag, bei dem der Zweck offenbar alle filmischen Mittel heiligt.

So modern jedenfalls hat man die sittenstrengen Islamisten noch selten erlebt, und so perfide auch nicht. Zielgruppe des emotionsgeladenen Videos ist nämlich nicht das heimische Publikum, für das gern schwülstige Märtyrerplots produziert und im Hamas-eigenen Al-Aksa-TV gesendet werden. Dieser Film richtet sich direkt an die Israelis. Sie sollen aufgerüttelt werden und Druck ausüben auf die Regierung in Jerusalem, damit die endlich einem Austausch von palästinensischen Gefangenen gegen Gilad Schalit zustimmt.

Schließlich schienen zum Jahreswechsel die von einem deutschen Vermittler aus dem BND geführten Verhandlungen schon kurz vor dem Abschluss zu stehen. Doch dann hakte es plötzlich hinter den Kulissen, und seit Monaten geht nichts mehr voran. Dies frustriert zum einen die vom rastlosen Vater Noam Schalit mobilisierte israelische Öffentlichkeit, die den mittlerweile 23-jährigen Soldaten um fast jeden Preis heimholen will. Zum anderen gerät aber auch die Hamas zunehmend unter Druck, weil sie ihrem Volk seit langem schon die baldige Befreiung von 1000 Gefangenen im Austausch für Schalit verheißt.

"Zynisch und verabscheuungswürdig"

Der Film suggeriert nun, dass die Hamas, die Schalit-Familie und die israelische Bevölkerung eigentlich das gleiche Interesse haben. Die bösen Mächte dagegen sitzen in Jerusalem und verhindern die von allen ersehnte Rundum-Freilassung. Auf den gottverlassenen Straßen, durch die Noam Schalit streift, stößt er deshalb allerorten auf Plakate mit israelischen Politikern, die sich mit dem falschen Versprechen zu profilieren suchen, seinen Sohn zu befreien.

So eindrücklich und einfühlsam ist das inszeniert, dass man wohl glatt vergessen soll, dass es nicht die israelische Regierung ist, die Gilat Schalit in Geiselhaft hält. Entführt und vor mehr als 1400 Tagen in den Kerker gesperrt wurde er von der Hamas selbst. Mit entlarvender Liebe zum Detail packt die Terror-Organisation aber auch noch eine Warnung ins Video: An einer Stelle passiert Noam Schalit ein Gebäude, das als "Ministerium für Gefangene und Vermisste" ausgewiesen wird - ein böser Hinweis darauf, dass bald so viele Entführungen folgen könnten, dass Israel für die Bewältigung dieser Fälle ein eigenes Ministerium bräuchte.

Den Hohn der Hamas kontert Israels Premierminister Benjamin Netanjahu mit einer kühlen Filmkritik: "Zynisch und verabscheuungswürdig" sei dieser Streifen. Noam Schalit spricht von "psychologischer Kriegsführung" gegen seine Familie. Er hat sich selbst im Video sehen können bis hin zu dieser Schlussszene, in der er, sichtlich gealtert und erschöpft, auf einer Bank am Grenzübergang zum Gaza-Streifen sitzt.

Ein Bus des Roten Kreuzes fährt vor und entlädt den Sarg seines Sohnes, gehüllt in eine israelische Flagge. In diesem Augenblick aber wacht Noam Schalit auf, es war bis hierher nur ein böser Traum. Im Abspann blendet die Hamas die Worte ein: "Es besteht noch Hoffnung." Doch auf wen soll er sie richten?

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