Schließlich haben die Raketen zur allgemeinen Überraschung Langstreckenrekorde bis fast nach Haifa hingelegt, und der Erfolg des israelischen Abwehrsystems Iron Dome stand mit einem Schlag in Frage, als plötzlich der Ben-Gurion-Airport von internationalen Airlines nicht mehr angeflogen wurde.
Überdies schafften es immer wieder einzelne Terror-Trupps durch Tunnel auf die israelische Seite. In der Nacht zum Dienstag wurden dabei wieder fünf Soldaten getötet. Mit 53 Gefallenen sind Israels Verluste bereits jetzt um ein Vielfaches höher als in den beiden vorigen Kriegen zusammen.
Doch all das hat bislang nicht dazu geführt, dass die Hamas eine vielleicht letzte Ausfahrt vor dem Abgrund nimmt. Denn ihre Anführer wissen, dass in diesem Sommer die Nachkriegsbedingungen für sie ganz andere sein werden als 2009 und 2012. Erstens ist von Ägypten keine Unterstützung mehr zu erwarten, zweitens sind die Schmuggelrouten für den Waffennachschub versperrt, drittens wird sich die Bevölkerung im Gazastreifen nach dieser extremen Leidenszeit nur dann noch einmal hinter der Hamas scharen, wenn sie konkrete Aussichten auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen bieten kann.
Dass die Hamas einer Demilitarisierung zustimmt: unvorstellbar
Die Hamas muss also nicht nur ans eigene Überleben im Krieg denken, sondern auch ans Überleben in der Zeit danach - und dazu braucht sie zwingend eine Aufhebung oder zumindest spürbare Lockerung der Blockade.
Immerhin wird diese letzte Hoffnung auch von außen genährt: Vom UN-Generalsekretär über den amerikanischen bis zum deutschen Außenminister betonen alle, dass die 1,8 Millionen Bewohner des Küstenstreifens nach dem Krieg dringend Luft zum Atmen brauchen, also eine Öffnung der Grenzen.
Selbst Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach am Sonntag in TV-Interviews mit amerikanischen Sendern von der Notwendigkeit "wirtschaftlicher und sozialer Erleichterungen" in Gaza. Aber unisono nennen sie dafür auch den gleichen Preis: eine Demilitarisierung des Küstenstreifens. Und eine Zustimmung dafür vonseiten der Hamas ist kaum vorstellbar.
Selbstzweck der Hamas ist der Krieg gegen Israel
Schließlich ist die 1987 gegründete Organisation per eigener Definition eine Widerstandsgruppe. Zwar ist sie auch eine politische Partei, die 2006 die palästinensischen Wahlen gewonnen hat. Obendrein zeigt sie sich als frommer Wohltätigkeitsverein. Aber ihr Sinn und Zweck liegt im Kampf gegen die israelischen Besatzer, und dazu braucht man Waffen.
Andererseits ist die Hamas längst nicht mehr jener monolithische Block aus früheren Zeiten. Drei Machtzentren sind entstanden, die bisweilen verschiedene Interessen verfolgen. Auf der politischen Ebene konkurrieren miteinander die Exil-Führung unter dem in Katar residierenden Khaled Meschal und die Gaza-Regierung von Ismail Hanija. Daneben stehen die von Mohammed Deif kommandierten Kämpfer der Kassam-Brigaden.
In den Zeiten des Kampfes haben die Milizen das Ruder übernommen. Wenn sich der politische Flügel am Ende dieses Krieges also auf eine Demilitarisierung einlassen würde, um damit wenigstens das eigene Überleben zu sichern, dann droht der Konflikt mit den Kämpfern. Dies scheint der Grund zu sein, dass die Hamas nicht herausfindet aus diesem Krieg, den sie niemals gewinnen kann.