In Hessen ist es der Innenminister, Roman Poseck (CDU), der „der Hamas-Propaganda und den Aggressionen gegen Israel auf unseren Straßen wirkungsvoll entgegentreten“ möchte und deshalb ein Verbot des roten Hamas-Dreiecks fordert. In Berlin sind es die Fraktionen von CDU und SPD im Landesparlament, die am Donnerstag gemeinsam an die Bundesinnenministerin appelliert haben, ein Verbot dieses grafischen Symbols zu prüfen, das man derzeit gelegentlich an Hauswände gesprüht findet.
Problem allerdings: Dasselbe rote Dreieck, das mit der Spitze nach unten zeigt, ist in Deutschland zugleich auch das Symbol der politisch Verfolgten des NS-Regimes. Das Symbol wird bis heute auch von KZ-Überlebenden und Zeitzeugen verwendet. Und die sind jetzt etwas verblüfft über die Verbotspläne – und auch irritiert.

Kundgebung vor der Münchner Synagoge:„Der Judenhass ist regelrecht explodiert“
Mehr als tausend Menschen setzen auf dem Sankt-Jakobs-Platz ein Zeichen gegen Antisemitismus und für Israel. IKG-Präsidentin Knobloch verweist auf die bedrohliche Lage für Jüdinnen und Juden. Auch an die von der Hamas entführten Menschen wird erinnert.
„Das rote Dreieck war im KZ-System die Kennzeichnung der politischen Gefangenen aus Deutschland und aus den besetzten Ländern“, schreibt etwa die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes in einer aktuellen Erklärung. „Nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft machten es die befreiten KZ-Häftlinge und Verfolgten zu ihrem Symbol und demonstrierten damit ihren Widerstand.“ Bis heute kämpfe man unter diesem Symbol auch gegen Antisemitismus – und alles, wofür die Hamas stehe.
Man muss vielleicht erläutern: Totale Verbote von Symbolen gibt es in Deutschland gar nicht. Dies zur Entwarnung. Ein totales Verbot gibt es hierzulande nicht einmal für das Hakenkreuz, sondern dieses Symbol darf natürlich in Schulbüchern oder in Zeitungen abgebildet werden, solange es der historischen Aufklärung dient und nicht der Hass-Propaganda. Ob es der Propaganda dient, das ist immer die entscheidende Frage – bei allen indizierten Symbolen. Auch bei solchen mit Hamas-Bezug. Es kommt – juristisch – auf den Kontext an.
Das gilt auch bei der Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ (Vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein). Die Bundesinnenministerin, Nancy Faeser (SPD), hat diesen Spruch als vermeintliche Hamas-Parole identifiziert und am 2. November offiziell verboten. Aber die Justiz in verschiedenen Städten hat das von Beginn an nicht als totales Tabu gewertet. Sondern: Man müsse stets prüfen, ob der Spruch in einer konkreten Situation als Anfeuerung der Hamas herüberkomme. Dann, und nur dann, sei das eine Straftat. Nämlich eine Verwendung von Kennzeichen terroristischer Organisationen.
Wirkt nun ein rotes Dreieck, das zum Beispiel kommunistische KZ-Überlebende bei einem Gedenkmarsch tragen, urplötzlich wie ein Bekenntnis zur Hamas? Nein, würden die Staatsanwaltschaften wahrscheinlich recht schnell erkennen. Und das heißt: Nein, hier ist weiterhin nichts strafbar.
Aber das Risiko von Verwirrungen und Missverständnissen bliebe natürlich bestehen. Der französische Linkenpolitiker Jean-Luc Mélenchon etwa löst neuerdings häufiger solche Verwirrung aus. Er trägt ein rotes Dreieck als Anstecker am Sakko – auch auf Demonstrationen gegen den Gazakrieg. Den Anstecker trägt er allerdings bereits seit 2017, gemeint als Reverenz an die Kommunisten und Sozialisten der Résistance gegen die Nazis.