Süddeutsche Zeitung

Rechtsextremer Terror:Seehofer: Anschlag von Halle ist Schande für unser Land

  • Justizministerin Lambrecht nennt den gewalttätigen, aggressiven Rechtsextremismus eine der "größten Bedrohungen, der wir uns aktuell gegenüber sehen".
  • Wie Generalbundesanwalt Peter Frank bezeichnet sie den Anschlag auf eine Synagoge in Halle als "Terror".
  • Sie will Vorschläge einbringen, die Netzwerkbetreiber bei der Verfolgung von Morddrohungen oder Volksverhetzung stärker in die Pflicht zu nehmen.

Nach dem Angriff von Halle hat Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) die Tat als "rechtsextremistischen Terroranschlag" bezeichnet. Auch Generalbundesanwalt Peter Frank stellte bei der gemeinsamen Pressekonfreenz in Karlsruhe eindeutig fest: "Was wir gestern erlebt haben, war Terror." Der Täter habe sich das Ziel gesetzt, in der Synagoge ein Massaker anzurichten.

Im Auto des Täters seien insgesamt vier Kilo Sprengstoff in zahlreichen Sprengvorrichtungen sichergestellt worden, sagte der Generalbundesanwalt. Stephan B. werde zweifacher Mord und versuchter Mord in neun Fällen vorgeworfen, er werde noch an diesem Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt.

Justizministerin will Juden in Deutschland "deutlich besser schützen"

In einem Video des Angriffs und einem später aufgetauchten Manifest gibt sich der Täter selbst als Rechtsextremer zu erkennen. Unklar ist bisher, wie der Mann an die Waffen gelangte und ob er in rechtsextreme Strukturen eingebettet war. Die Untersuchungen laufen weiter, Frank wollte zunächst aus ermittlungstaktischen Gründen keine weiteren Angaben machen.

Die Justizministerin kündigte an, die in Deutschland lebenden Juden nach dem Anschlag "deutlich besser schützen" zu wollen. Der gewalttätige, aggressive Rechtsextremismus sei eine der "größten Bedrohungen, der wir uns aktuell gegenüber sehen". Dabei müsse man sich auch den "Nährboden anschauen, auf dem diese Gewalt wächst". Das beginne mit Worten, denen Taten folgten.Besonders im Internet bemerke man eine zunehmende Verrohung. Sie sei nicht länger bereit, das zu akzeptieren.

Lambrecht kündigt an, die "Netzwerkbetreiber stärker in die Verantwortung nehmen" zu wollen. Bei Morddrohungen oder Volksverhetzung müssten die Betreiber noch stärker in die Pflicht genommen werden, diese an die Behörden weiterzuleiten. Den Opfern des Angriffs in Halle und ihren Angehörigen sprach sie ihr "tief empfundenes Beileid" aus.

In eigener Sache

Der Täter von Halle (Saale) hat im Internet ein Video seines Anschlags und außerdem ein sogenanntes Manifest veröffentlicht. Der SZ liegen diese vor, wir veröffentlichen sie aber nicht. Terroristen versuchen, im Internet ihr Gedankengut zu verbreiten. Die SZ macht sich nicht zum Werkzeug dieser Strategie. Aus diesem Grund zeigen wir ebenfalls keine Bilder expliziter Gewalt und achten darauf, in der Berichterstattung über Details zur Tat die Würde der Opfer zu wahren.

Bei einer späteren Pressekonferenz mit Sachsen-Anhalts Minitersprädient Haseloff und seinem Innenminister Stahlknecht pflichtete Bundesinnenminister Seehofer seiner Kollegin bei. Es gehe bei einer besseren Verfolgung von Hass im Internet nicht um die Einschränkung von Bürgerrechten, sondern um die Bekämpfung von Verbrechen. Den Anschlag von Halle bezeichnete Seehofer als "eine Schande für unser Land". In Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt will er "einige Hundert" zusätzliche Stellen schaffen. Die Bedrohungslage durch Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus sei sehr hoch.

Stahlknecht, Haseloff und Seehofer kündigten außerdem an, auf den anstehenden Konferenzen der Innenminister und der Ministerpräsidenten über das Thema und auch über einheitliche Standards für den Schutz jüdischer Einrichtungen sprechen zu wollen. Sie forderten auch für ein "Aufstehen der Demokraten" gegen die "geistigen Brandstifter". Besonders Stahlknecht bezog sich wohl auf die AfD, als er sagte: "Ich hätte nie gedacht, dass es wieder SS-Sprachgebrauch in den Parlamenten gibt."

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, der ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesend war, sprach von einer tiefen Verunsicherung der Juden in Deutschland. Er wolle aber keine Schuldzuweisungen an die Behörden, sondern nach vorne Blicken: Er sei überzeugt, dass aus den Vorfällen von gestern gelernt wurde und jüdische Menschen in Deutschland bei anstehenden Gottestdiensten zum Sabbat und zum Laubhüttenfest sicher seien. Gleichzeitig forderte er härtere Strafen gegen antisemitische Straftäter. "Bei antisemitischen Straftaten gibt es oft Urteile, deren Milde für mich nicht nachvollziehbar ist", so Schuster.

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