Süddeutsche Zeitung

Halle:Einschusslöcher im Schaufenster

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Das Büro des SPD-Abgeordneten Diaby ist nicht zum ersten Mal Ziel eines Angriffs.

Von Antonie Rietzschel, Leipzig

Am Morgen danach geht die Kanzlerin auf Karamba Diaby zu. Während der Bundestag über die Organspende diskutiert, stehen in den hinteren Stuhlreihen Angela Merkel und Diaby für wenige Minuten zusammen. Merkel habe ihm ihre Unterstützung signalisiert, wird der SPD-Abgeordnete aus Halle später sagen.

Mindestens drei Einschusslöcher haben dessen Mitarbeiter am Mittwochmorgen im Schaufenster seines Bürgerbüros in der Kleinen Ulrichstraße in Halles Altstadt gezählt. Nun ermitteln Polizei und Staatsschutz. Es sei weiter unklar, was genau die Fenster durchschlagen habe, sagte eine Sprecherin der Polizei Halle am Donnerstag. Projektile seien am Tatort nicht gefunden worden, die Spurensicherung dauere noch an. Am Donnerstagmorgen untersuchten Beamte die Einschusslöcher, wie ein Mitarbeiter Diabys berichtet.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Büro Ziel eines Angriffs wird. Schon 2015 hatten Unbekannte die Scheiben eingeworfen. Diaby, der sich klar gegen Rassismus und Rechtsextremismus positioniert, sprach in der Vergangenheit immer wieder über Anfeindungen, auch in den sozialen Netzwerken. Nach dem Anschlag im Oktober 2019, bei dem ein rechtsextremer Täter in Halle zwei Menschen erschossen hatte, nachdem er zuvor vergeblich versucht hatte, in eine Synagoge einzudringen, hatte Diaby die Menschen zu mehr Engagement gegen Hass in sozialen Medien aufgefordert.

Der Abgeordnete positioniert sich klar gegen Rassismus und Rechtsextremismus

Noch ist völlig unklar, wer die Schüsse auf Diabys Büro aus welchem Motiv abgegeben haben könnte. Der Abgeordnete, der ursprünglich aus Senegal stammt, ist ein Feindbild der rechtsextremen Szene. Die ist in Halle längst nicht so vernetzt wie etwa in Chemnitz, wo Neonazis und rechtsextreme Hooligans innerhalb kürzester Zeit zu Aufmärschen mobilisieren können. In der Vergangenheit gründeten sich immer wieder kleinere Gruppen wie die Brigade Halle. Deren Anhängerschaft stammte vor allem aus der Hooliganszene um den Halleschen FC. Ihre Aktivitäten ließen zuletzt jedoch nach. Dennoch gab es in der Stadt immer wieder rechtsextreme Demonstrationen. Bis vor Kurzem galt Halle zudem als deutsche Hochburg der rechtsextremen Identitären Bewegung. 2017 öffnete in Universitätsnähe - nur wenige Gehminuten von Diabys Bürgerbüro entfernt - das Hausprojekt "Kontrakultur". Es sollte ein Modellprojekt der Neuen Rechten werden. Doch im Dezember 2019 erklärten die Identitären das offizielle Aus.

Die rechtsextreme Hetze gegen Diaby geht aber weiter. Nach den Schüssen auf dessen Büro veröffentlichte der stadtbekannte Rechtsextremist Sven Liebich auf seinem Youtube-Kanal ein Video, in dem er darüber spekuliert, dass der SPD-Politiker den Angriff selbst inszeniert habe, um der SPD aus dem Umfrage-Tief zu helfen.

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Quelle:
SZ vom 17.01.2020
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