Halle:Dem Attentäter zuzuhören, ist eine notwendige Zumutung

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Der Attentäter von Halle im Gerichtssaal (Foto: Jan Woitas/AFP)

Ab wann wird die öffentliche Aufklärung über einen Rechtsextremisten unfreiwillig zur Propaganda? Diese Frage wird zu selten gestellt. Doch im Prozess von Halle kommt nicht einfach der Täter zu Wort. Die Angehörigen der Opfer und die Überlebenden können hier endlich Gegenrede leisten.

Von Carolin Emcke

Natürlich ist das eine Zumutung: dem Attentäter von Halle zuzuhören. Natürlich ist das eine Qual für die Überlebenden und für die Angehörigen der Opfer jenes 9. Oktober 2019: den Angeklagten im Prozess im Landgericht in Magdeburg zu erleben. Dass dieser geht und sitzt und lacht, dass er eben lebt, und jene, die er hingerichtet hat, Jana Lange und Kevin Schwarze, nicht. Dass ihm das Wort erteilt wird und jene geliebten Menschen, jemandes Sohn oder Tochter, für immer verstummt sind. Die Berichte der anwesenden Reporterinnen und Reporter beschreiben die Szenen der ersten Prozesstage ähnlich: Wie der Angeklagte spricht, als ginge ihn das alles nichts an, als wäre dies ohnehin nicht seine Ordnung, seine Welt, als zählten die Personen im Gerichtssaal nicht als gleichwertig. Wie reuelos er auftritt, wie selbstgerecht, wie offensichtlich unberührt von dem, was er angerichtet hat, welches Leid er verursacht hat. Da ist keine nachträgliche, da ist keine taktische Scham für die eigenen Verbrechen. Sein Anwalt hatte erklärt, der Angeklagte wünsche, in den Medien mit vollem Namen genannt und sein Gesicht möge unverpixelt gezeigt werden. Es fehlte nur noch, dass er den Text der Inschrift diktiert, die er auf seinem Denkmal graviert sehen möchte.

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