Antisemitismus:Haldenwang besorgt über "steil ansteigenden Antisemitismus"

Gedenken an die Opfer des Anschlags von Halle

Ein Jahr nach dem rechtsterroristischen Anschlag am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur auf die Synagoge in Halle wird mit Veranstaltungen und Gebeten der Opfer gedacht.

(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Anlässlich des Jahrestags des Attentats von Halle warnt der Verfassungsschutz-Präsident, Straftaten gegen Juden und jüdische Einrichtungen hätten erheblich zugenommen.

Um 12.01 Uhr fielen am 9. Oktober 2019 in Halle die ersten Schüsse. Ein Rechtsextremist versuchte in die Synagoge von Halle einzudringen. Er scheiterte zwar, erschoss aber eine 40 Jahre alte Passantin und in einem Döner-Imbiss einen 20 Jahre alten Mann. Auf den Tag genau ein Jahr nach dem rechtsterroristischen Anschlag wird in Halle mit verschiedenen Veranstaltungen der Opfer gedacht. Dazu werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erwartet.

An Anschlagsorten werden Kränze niedergelegt, Gedenktafeln und ein Mahnmal an der Synagoge enthüllt. In der Stadt werden die Kirchenglocken läuten, Menschen in Gotteshäusern beten. Eine Demokratiekonferenz und Aktionen beschäftigen sich mit den Themen Rechtsextremismus und Antisemitismus. In der Ulrichskirche gibt es am Nachmittag eine zentrale Gedenkfeier für die Opfer des Attentats. Ab 12.01 Uhr soll in der Saalestadt für drei Minuten das Leben ruhen und schweigend der Menschen gedacht werden, die getötet, verletzt und traumatisiert worden sind.

Vor den Gedenkfeierlichkeiten äußerte sich der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, besorgt über einen "steil ansteigenden Antisemitismus in Deutschland". "Gerade in den vergangenen zwei Jahren haben Straftaten, auch Gewalttaten, gegen Juden und jüdische Einrichtungen in Deutschland erheblich zugenommen", sagte Haldenwang dem Berliner Tagesspiegel.

Die Sorgen jüdischer Mitbürger seien berechtigt, dass sie auf offener Straße Opfer von Anfeindungen bis hin zu gewaltsamen Attacken werden können. "Hier müssen Sicherheitsbehörden äußerst wachsam sein", sagte Haldenwang und fügte hinzu: "Vor allem muss der Gesellschaft ins Bewusstsein gebracht werden, gemeinsam gegen aufkommenden Antisemitismus vorzugehen." Mit Verweis auf den Attentäter von Halle sowie den Angriff auf einen Juden am vergangenen Wochenende in Hamburg sagte der Verfassungsschutzpräsident, dass den Sicherheitsbehörden "beim Rechtsextremismus nicht nur organisierte Gruppen, sondern gerade auch radikalisierte Einzeltäter große Sorgen machen".

Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) äußerte sich zu dem ersten Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge in Halle. Der Terroranschlag bleibe ein "unfassbares Verbrechen" und Judenhass sei eine "Schande für unser Land". Der Nährboden solcher Taten seien "Hass, Hetze und Verschwörungsmythen voller niederträchtigem Antisemitismus". "Dagegen müssen wir noch konsequenter vorgehen", sagte Lambrecht.

Am vergangenen Sonntag stand ein weiterer antisemitischer Angriff im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Ein jüdischer Student in Hamburg wurde von einem Mann vor einer Synagoge mit einem Klappspaten angegriffen und schwer verletzt. Der 29 Jahre alte Angreifer, ein Deutscher mit kasachischen Wurzeln, wurde in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen.

Zur SZ-Startseite
Bewachung für jüdische Gemeinden wird verstärkt

Interview am Morgen: Ein Jahr nach dem Anschlag in Halle
:"Die Polizei macht nicht alles"

Der antisemitische Anschlag in Halle (Saale) schockierte 2019 das ganze Land. In Hannover wollte die evangelische Kirche helfen. Sie gab Geld: für einen Wachdienst.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: