Halbzeitwahlen in den USA:Trump hat keine Chance, aber die wird er nutzen

U.S. President Donald Trump gesticulates as he returns from a trip to trip to Annapolis, Maryland, in Washington, U.S.

Der gesunde Menschenverstand schließt eigentlich aus, dass Trump ungeschoren davon kommt in den Halbzeit-Wahlen. Aber wer weiß?

(Foto: REUTERS)

Ein Stümper im Weißen Haus - die US-Demokraten können sich für die Halbzeitwahlen im November kaum etwas Besseres wünschen. Und doch könnte ihnen Trump noch gehörig die Show verhageln.

Analyse von Thorsten Denkler, New York

Noch ein gutes halbes Jahr, dann stehen im November - zwei Jahre nach dem Sieg von Donald Trump - ein Drittel des 100-köpfigen Senats und das komplette Abgeordnetenhaus in den USA zur Wahl. Die Midterms, die Halbzeit-Wahlen stehen an. Sie entscheiden, ob Trump danach durchregieren kann. Oder ob er seine innenpolitische Agenda dank eines Sieges der Demokraten erheblich abspecken muss.

Noch haben in beiden Kammern die Republikaner die meisten Sitze - auch wenn sie zumindest im Senat die allermeisten Gesetze nur mit Hilfe der Demokraten durchbringen können. Aber die Demokraten hoffen jetzt, dass sie in wenigstens einer der beiden Kammern die Mehrheit erobern können.

Es gab im vergangenen Jahr aus Sicht der Opposition ein paar Ereignisse, die diese Hoffnung befeuert haben:

  • Im Bundestaat Pennsylvania haben die Demokraten einen Sitz im Abgeordnetenhaus gewonnen - obwohl Trump in dem Wahlbezirk 2016 noch 20 Prozentpunkte vor Clinton lag.
  • Im konservativen Alabama haben die Demokraten außerdem den Republikanern einen Senatssitz abgerungen.
  • Im Bundestaat New Jersey konnten sie das Gouverneursamt übernehmen.
  • Und die Wahlbeteiligung unter Anhängern der Demokraten ist zuletzt deutlich gestiegen.

Hinzu kommen Trumps schlechte Umfragewerte. Die haben sich in den vergangenen Wochen zwar leicht erholt, sind aber immer noch mit aktuell 42,3 Prozent schlechter als die Zustimmungswerte aller Präsidenten seit Harry S. Truman zu diesem Zeitpunkt der Präsidentschaft.

Es gehört außerdem schon fast zur politischen Tradition in den USA, dass in der ersten Halbzeitwahl einer neuen Präsidentschaft das Pendel zugunsten der Opposition ausschlägt. Und Trump ist derart skandalbehaftet, dass es doch mit dem Teufel zugehen müsste, wenn die Demokraten am Wahlabend nichts zu jubeln hätten.

In den Umfragen zumindest liegen die Demokraten seit Langem vorne. In einer Erhebung von CNN sogar mal mit 54 zu 38 Prozent. Zeitweise schien es, als würde über die politische Landkarte der USA eine demokraten-blaue Welle von der Kraft einer Sturmflut rollen, die Trump innenpolitisch praktisch entmachten könnte.

Der Abstand zwischen den Parteien ist auf drei Prozentpunkte zusammengeschmolzen

Allerdings war das im Februar. In der Mai-Umfrage von CNN führen die Demokraten noch immer in der Wählergunst, aber nur noch mit 47 zu 44 Prozent. Der Abstand ist auf drei mickrige Prozentpünktchen zusammengeschmolzen. Auch in allen anderen Umfragen gilt: Die Demokraten liegen zwar vorne. Aber der jeweilige Vorsprung ist zum Teil kaum noch der Rede wert.

Was ist geschehen seit Februar? Ist Trump ein besserer Präsident geworden? Gewinnt er mehr und mehr das Vertrauen aller Amerikaner?

Mitnichten. Es ist im Grunde alles nur schlimmer geworden. Zumindest aus der Sicht der liberalen und moderaten Amerikaner. Trump feuert am laufenden Band Leute, seine Außenpolitik ist ein Desaster: das Ende des Iranabkommens, der Handelskrieg mit China und dem Rest der Welt. Von seiner Steuerreform profitieren fast nur die Reichen. Trump versucht, wo es geht, Obamas Gesundheitsreformen zu torpedieren, wenn er schon nicht die nötige Mehrheit im Kongress hat, sie gänzlich abzuschaffen. Und sein Gebaren gegenüber Nordkorea ist ein einziges Spiel mit dem Feuer.

Trump liefert - zumindest aus Sicht seiner Anhänger

Aus Sicht seiner Anhänger aber liefert Trump. Der Ausstieg aus dem Atomabkommen mit Iran und dem Klimaabkommen von Paris wird von ihnen bejubelt. Ebenso die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Die Steuerreform mag vor allem den Reichen helfen, aber sie hilft eben auch dem Mittelstand. Und natürlich gefällt den Trump-Wählern, wie der Präsident über Migranten redet, wie er Bandenmitglieder südamerikanischer Abstammung als "Tiere" bezeichnet. Selbst wenn Trump Streit mit den eigenen Kabinettsmitgliedern anzettelt, wird ihm das von seinen Fans zu seinen Gunsten ausgelegt.

Auf der Rechten bestimmt zudem der Trump-hörige Sender Fox News, was die Leute mit welchem Dreh zu sehen und zu hören bekommen. Kommt ein neues Detail in der Russland-Affäre heraus, das nahelegt, dass sich Trump oder seine Leute von Russland haben helfen lassen, um die Wahl 2016 zu gewinnen, hält Fox News mit hoher Sicherheit mit Beiträgen über Hillary Clintons E-Mail-Affäre dagegen. Oder es wird spekuliert, ob das FBI Trumps Wahlkampagne unterwandert hat. Wofür es keine Hinweise gibt. Werden neue Einzelheiten über seine angeblichen Affären mit Pornostars bekannt, wird das schlicht als Lüge abgetan.

Viele republikanische Anhänger scheinen vor den Midterms geradezu aufgestachelt von den Drohungen mancher Demokraten, etwa der, die Steuerreform von Trump rückgängig zu machen. Und noch mehr von der Gefahr, dass die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump durchsetzen könnten, wenn sie in beiden Kammern die Mehrheit hätten. Auch unter Republikanern gibt es freilich Trump-Gegner. Doch mindestens so unpopulär wie Trump ist die Idee, ihn aus dem Amt zu entfernen.

Die Demokraten bringt das in ein Dilemma. Viele ihrer Anhänger wollen Trump so schnell wie möglich loswerden. Und natürlich steht die Frage der Amtsenthebung im Raum, wenn die Demokraten die nötigen Mehrheiten dafür zusammenbekämen. Doch wenn die Demokraten die Debatte noch befeuern, ist das die beste Mobilisierungskampagne, die sich die Republikaner wünschen können.

Die Hürden für einen Wahlsieg der Demokraten sind überdies hoch.

  • Die Ausgangslage im Abgeordnetenhaus ist heikel: Alle 435 Sitze werden neu gewählt, 179 davon sind fest in demokratischer und 155 fest in republikanischer Hand. Die Republikaner halten allerdings weitere 85 Sitze, die wackelig sein könnten. Die Demokraten haben weitere 16 Sitze, über deren Verbleib im demokratischen Lager sie sich nicht sicher sein können. Um die Mehrheit im Abgeordnetenhaus sicher zu bekommen, müssten sie alle ihre bisherigen Sitze gewinnen. Und den Republikanern zusätzlich mindestens 24 ihrer Sitze abknöpfen. Ein ambitioniertes Unterfangen.
  • Noch enger ist es im Senat: Dort führen die Republikaner bislang mit 51 zu 49 Stimmen. Nur ein Drittel der Plätze aber wird neu vergeben. Davon stehen 23 Sitze der Demokraten zur Neuwahl an, aber nur acht der Republikaner. Das Risiko, hier mehr zu verlieren als zu gewinnen, ist also hoch. Die Demokraten müssten alle ihre Sitze im Senat verteidigen und dann noch den Republikanern mindestens zwei abnehmen. Möglich, aber nicht einfach. Zumal mehrere demokratische Senatoren aus Bundesstaaten kommen, die Trump 2016 mit zweistelligem Vorsprung gewinnen konnte. Den blanken Zahlen nach ist es wahrscheinlicher, dass die Republikaner ihre Mehrheit im Senat noch ausbauen.

Trumps Pluspunkt: Er ist immer von allen unterschätzt worden. Kaum einer hat gedacht, dass einer wie er US-Präsident werden könnte. Jetzt ist er es. Auch wenn der gesunde Menschenverstand es eigentlich ausschließt: Am Ende kann es doch wieder Trump sein, der triumphiert. Es wäre eine bittere Niederlage für die Demokraten. Eine, die die Hoffnung der Demokraten auf eine Kehrtwende in den USA vorerst zunichte machen dürfte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: