Halbzeitbilanz:Merkel: Koalition ist "arbeitsfähig und arbeitswillig"

Union und SPD verweisen auf ihre Erfolge, die Konflikte in der Regierung finden keine Erwähnung.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Trotz öffentlicher Kritik und anhaltender Konflikte haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) den Willen der großen Koalition zur Weiterarbeit unterstrichen. Von 300 großen Vorhaben der Regierung seien zwei Drittel vollendet oder auf den Weg gebracht, sagte Merkel am Mittwoch in Berlin. "Das zeigt, dass wir arbeitsfähig und arbeitswillig sind." Zuvor hatte das Kabinett die Halbzeitbilanz der Regierung gebilligt. Sie war auf Wunsch der SPD im Koalitionsvertrag vereinbart worden, um festzustellen, ob konkrete Erfolge erzielt werden. Diese Bestandsaufnahme habe wesentlich dazu beigetragen, Regierungsvorhaben zu beschleunigen, sagte Scholz.

Weder Kanzlerin noch Vizekanzler verloren am Mittwoch ein Wort darüber, dass die Koalitionsparteien bis zuletzt vergeblich um eine Einigung bei der Grundrente gerungen hatten. In der Halbzeitbilanz, deren Einleitung in eher nachdenklichem Ton gehalten ist, sind neben Erfolgen der Regierung auch unvollendete Vorhaben aufgelistet. "Wir leben in einer Zeit, in der die politischen und gesellschaftlichen Fliehkräfte zunehmen", heißt es. "Der Ausgleich unterschiedlicher Interessen und die in einer Demokratie unabdingbare Bereitschaft zum Kompromiss verlieren an Akzeptanz." Die Regierung habe viel erreicht, aber es bleibe "noch viel zu tun".

Scholz betonte, es seien "große Fortschritte" bei der sozialen Sicherung, der Familienpolitik sowie beim Thema Wohnen und Mieten erreicht worden. Gemeint waren auch Mietpreisbremse und Baukindergeld. Unerwähnt blieb, dass der angekündigte Bau von 100 000 Sozialwohnungen stockt und auch bei gleichwertigen Lebensverhältnissen und Integration wenig vorangeht. Scholz räumte ein, es sei "noch was zu tun". Zu den noch nicht erreichten Zielen gehöre für die SPD der Abbau sachgrundloser Befristungen bei Arbeitsverträgen. Merkel nannte den Ausbau von Elektromobilität und erneuerbaren Energien sowie die Digitalisierung als noch zu lösende Zukunftsaufgaben der Koalition.

"Ich bin heute stolz, dass die Sozialdemokraten für so viele Menschen etwas bewegt haben", sagte die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer in Mainz. Die Maßnahmen der Koalition bedeuteten "die größte Nettoverbesserung seit über zehn Jahren". Bei der Opposition stießen solche Töne auf Unverständnis. Die große Koalition habe abgewirtschaftet, sagte die Linken-Vorsitzende Katja Kipping. "Höchste Zeit, dass sie beendet wird. Weitere Folgen aus der Reihe Pleiten, Pech und Pannen kann keiner gebrauchen."

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner merkte an, die Koalition habe viele Gesetze gemacht und "viele Fleißkärtchen verteilt". Das könne aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie "keine Impulse" für die "Weiterentwicklung des Landes" gebe. Ein miserables Halbzeitzeugnis stellte auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter aus. "Die Bilanz ist leider desaströs", sagte er. "Diese Regierung ist kraft- und antriebslos. Ihr einziger Kitt ist die pure Angst vor der eigenen Zukunft."

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