Süddeutsche Zeitung

Halbmondlager in Brandenburg:Reste der ersten deutschen Moschee ausgegraben

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Holzmoschee stand zehn Jahre

Im brandenburgischen Wünsdorf haben Archäologen Überreste einer Moschee aus dem Ersten Weltkrieg ausgegraben. Das Team der Freien Universität Berlin hat Verspannungsdrähte und Eisenbolzen der Holzkuppel sowie Glasscherben der Moschee-Fenster entdeckt, wie die Universität mitteilte.

Nach Angaben der Experten ist die älteste Moschee in Deutschland. Zuvor waren schon Bauten errichtet worden im Stil islamischen Gebetshäusern. Beispiele sind etwa die "Rote Moschee" im Schwetzinger Schlossgarten von 1793 oder die Tabakfabrik Yenidse, die 1909 in Dresden errichtet wurde.

Von dem Wünsdorfer Gebäude seien nur noch wenige Überreste erhalten, teilte die FU Berlin mit. Offenbar wurde das Anwesen systematisch demontiert, manche Teile seien weiterverwendet worden.

Die Moschee war während des Ersten Weltkrieges im Juli 1915 eingeweiht und 1925/26 abgerissen worden. Sie bestand aus Holz und hatte ein 23 Meter hohes Minarett.

Im Ersten Weltkrieg waren in Wünsdorf in einem Kriegsgefangenenlager - genannt "Halbmondlager" - zehntausende Männer islamischen Glaubens inhaftiert.

Kriegsgefangene sollten aufgestachelt werden

Sie stammten unter anderem aus Indien, Marokko, Afghanistan, Tunesien und Algerien. Sie konnten dort mit deutscher Hilfe weitgehend nach ihren eigenen Bräuchen leben. "Mittels gezielter Propaganda wollten die Deutschen die Gefangenen gegen ihre Kolonialherren indoktrinieren und zu einem 'Heiligen Krieg' aufstacheln", schreibt das Deutsche Historische Museum.

Es erschien sogar eine Zeitung namens El Dschihad. Der propagandistische Erfolg des Blattes sei allerdings gering gewesen, schreibt das Museum. Das Deutsche Kaiserreich war im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet.

Bis Mitte der zwanziger Jahre sollen noch Berliner Muslime nach Wünsdorf gekommen sein, um in der Moschee zu beten.

Später wurde das Gelände vom NS-Regime und nach dem Zweiten Weltkrieg von der sowjetischen Armee genutzt.

Die Archäologen dokumentieren derzeit noch Spuren der Vergangenheit, dann werden wohl erneut Muslime auf dem Areal etwa 40 Kilometer südlich von Berlin leben: Demnächst sollen hier Container zur Unterbringung von Asylbewerbern aufgestellt werden.

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