Halbmond-Debatte in der CDU:Kulturkampf im katholischen Pfarrheim

CDU-Logo mit Halbmond

CDU-Logo mit Halbmond: Eine Werbeaktion zieht Diskussionen nach sich.

(Foto: dpa)

Die Neusser CDU will die Aufregung um den türkischen Halbmond in ihrem Parteilogo schnell vergessen. Doch die Basis hat Redebedarf über die Werbeaktion eines Stadtratskandidaten. Ein Diskussionsabend wird zur Bühne für Islamkritiker.

Von Benedikt Becker, Neuss

Einmal unterbricht ein klingelndes Handy den Vortrag von Michael Hesemann. "Nun ruft der Muezzin in Neuss zum Gebet", sagt der umstrittene Kirchenhistoriker. Ein Scherz, aber einer, der die Stimmung vieler Menschen an diesem Freitagabend in Neuss gut zusammenfasst. Sie sind in ein katholisches Pfarrheim in der Nordstadt gekommen, um ihrer Furcht Ausdruck zu verleihen. Furcht vor dem immer größeren Einfluss von Muslimen auf die Gesellschaft - und auch auf ihre Partei, die Christlich Demokratische Union.

Vor gut einer Woche war bekannt geworden, dass der Neusser CDU-Stadtratskandidat Yasar Calik für seinen Wahlkampf ein paar Hundert Stofftaschen hatte bedrucken lassen. Darauf zu sehen: Das CDU-Logo, kombiniert mit dem türkischen Halbmond. Seitdem ist unter den Christdemokraten am Niederrhein eine Debatte darüber entbrannt, ob das C im Parteinamen noch präsent genug ist. Oder ob "Neuss unterm Halbmond" steht. So ist - mit einem Fragezeichen - der Diskussionsabend im Pfarrheim überschrieben.

Sebastian Rosen hat dazu eingeladen. Er sitzt für die CDU im Stadtrat und hält den Umgang seiner Partei mit Caliks Stofftaschen für "entsetzlich" und für einen "kommunikativen Super-GAU". Um für seine Veranstaltung zu werben, hat er sich im Messdiener-Gewand ablichten lassen, inklusive Tragekreuz. 150 Menschen hat er für seinen Abend gewinnen können, darunter langjährige Parteimitglieder und Islamkritiker.

Kirchenexperte zur Halbmond-Geschichte

Der Vorstand der Neusser CDU ist nicht gekommen, er hat die Debatte für beendet erklärt. Auch Hermann Gröhe fehlt: Der Bundesgesundheitsminister und Abgeordnete für Neuss im Bundestag eröffnet am Freitagabend die Schlussphase des Kommunalwahlkampfs in einem Nachbarort. Nicht mal Yasar Calik ist da, der Mann mit den Stofftaschen, der mit seiner Aktion türkischstämmigen Menschen in Neuss die CDU "näherbringen" wollte.

Dafür sind ein paar türkischstämmige CDU-Mitglieder gekommen, die gerne ihre Sicht darlegen würden. Dazu kommen sie zunächst nicht, denn jetzt hält Michael Hesemann seinen Vortrag. Er, der sich als Kirchenexperte versteht, aber auch als Ufo-Forscher auftrat, soll die historische Einordnung der CDU-Wahlkampftasche mit dem Halbmond erleichtern.

Hesemann beschreibt Neuss als "katholische Enklave in einer vom Relativismus beherrschten Gegenwart" und lässt eine Mischung aus Ahnenforschung des Halbmonds und vergleichender Religionswissenschaft folgen. Es gehe nicht um Islamkritik oder Rivalität, betont Hesemann und wird nicht müde, vom "Moslem in seiner Frömmigkeit" und dem "guten, fleißigen, türkischen Arbeiter" zu sprechen. Der politische Islam jedoch strebe nach Dominanz: "Der Tag, an der Halbmond auf der deutschen Flagge sein wird, ist der Tag, an dem wir eine islamische Republik Deutschland haben."

"Ich bin Muslim, CDU-Mitglied und stolz darauf"

Hesemanns Worte aktivieren die Islamkritiker unter den Zuhörern, die zum Teil aus den umliegenden Städten nach Neuss gereist sind. Einer warnt vor der Übernahme Deutschlands durch die Türkei, ein anderer schwenkt die armenische Fahne - nachdem Hesemann den Halbmond zuvor auch als Symbol des türkischen Völkermordes an den Armeniern bezeichnet hatte.

So dauert es, bis die anwesenden CDU-Mitglieder ihren Ärger loswerden können: über den Halbmond auf der Tasche, die Presseerklärungen ihrer Parteispitze und fehlende christliche Botschaften in der aktuellen Politik.

"Es fehlt ein sensorisches Bewusstsein für die Parteiüberzeugung", sagt einer, der nach eigenen Angaben seit 50 Jahren die CDU wählt. Applaus. "Die PR war desaströs", sagen gleich mehrere. Lauter Applaus. "Das zeigt, wie weit die Politik bereit ist, das Land an politische Extremisten abzutreten", sagt eine Frau, die "total entsetzt" war, als sie von den Taschen mit dem Halbmond in der Presse las. Sehr lauter Applaus.

Der "Altmeister" verteidigt die CDU

Als Verteidiger der Partei tritt ein Mann auf, den sie in Neuss respektvoll den "Altmeister" nennen: Heinz Günther Hüsch, 84, CDU-Bundestagsabgeordneter von 1976 bis 1990. "200 Taschen können nicht die Grundsätze einer großen deutschen Partei in Zweifel ziehen", sagt Hüsch. Magerer Applaus.

Noch schwerer als Hüsch haben es die anwesenden Deutsch-Türken mit CDU-Parteibuch. "Ich bin Muslim, CDU-Mitglied und stolz darauf", sagt ein junger Mann, der aufsteht, um seinen Integrationswillen und seine Abneigung gegenüber "Linken und Roten" zu bekunden. Immer wieder wird er von Zwischenrufen unterbrochen. Seine trotzige Antwort: "Ich gehöre zu Ihnen, ob Sie es wollen oder nicht."

Obwohl Gastgeber Rosen betont, jeder Migrant habe einen Platz in der Union, wenn er sich zu ihren christlichen Werten bekenne, sind viele der anwesenden Muslime von der Diskussion enttäuscht. Ahmet Tuzkaya, früher CDU-Mitglied, jetzt beim von Muslimen gegründeten Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG) aktiv, spricht von "Hetze". Dann relativiert er: "Hier waren heute viele alte Leute, vielleicht denkt die junge Generation anders."

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