Süddeutsche Zeitung

Haitis Ex-Diktator Baby-Doc:Heimflug in die Hände der Justiz

Nach seiner überraschenden Festnahme könnte Haitis Ex-Diktator Duvalier der Prozess gemacht werden. Beobachter vermuten hinter der Rückkehr von Baby-Doc ein Manöver des amtierenden Präsidenten Préval, der die Verwirrung in Haiti steigern will.

Peter Burghardt

Haitis früherer Diktator Jean-Claude Duvalier ist zwei Tage nach seiner verblüffenden Rückkehr unter konfusen Umständen von der Justiz abgeführt worden. Polizisten holten den ehemaligen Staatschef am Dienstag im Hotel Karibe nahe Port-au-Prince ab und brachten ihn zur Staatsanwaltschaft. Duvalier trug keine Handschellen und lächelte. Vor der Unterkunft hatten sich Anhänger, Gegner und Reporter versammelt, es wurden Tumulte gemeldet.

Zuvor soll Duvalier von Generalstaatsanwalt Aristidas Auguste und dem Richter Gabriel Ambroise in seinem Zimmer vernommen worden sein, ihm werden Mord und Korruption vorgeworfen. "Herr Duvalier ist unter der Kontrolle der Justiz", sagte Auguste. "Er ist nicht frei." Es solle geklärt werden, ob Duvalier sich während seiner Herrschaft aus der Staatskasse bereichert habe, sagte ein Regierungsvertreter. Dann werde über eine Anklage entschieden.

Am Sonntag war Duvalier überraschend mit einem Linienflugzeug der Air France aus seinem Pariser Exil eingetroffen, 25Jahre nach seinem Rauswurf. Menschenrechtsverbände wie Amnesty International forderten nach seiner Ankunft die Verhaftung wegen seiner Verbrechen vor einem Vierteljahrhundert. Die Anwesenheit Duvaliers sei "eine Ohrfeige für die Menschen, die schon so viel gelitten haben", sagt José Miguel Vivanco von Human Rights Watch. Er hätte längst zur Rechenschaft gezogen werden sollen.

Während des 29 Jahre langen Terrorregimes soll der Clan im ärmsten Land des Westens bis zu 60.000 Gegner umgebracht und Hunderte Millionen Dollar unterschlagen haben. 1957 kam der Arzt François Duvalier alias Papa Doc an die Macht, nach seinem Tod 1971 übernahm sein Sohn Jean-Claude, genannt Baby Doc. 1986 flüchtete der Junior nach Protesten ins französische Exil. In Haiti könnte dem 59 Jahre alte Baby Doc jetzt ein Verfahren bevorstehen.

Es gebe juristische Prozesse "in einer Geldangelegenheit, die den Staat Haiti und Monsieur Duvalier betreffen", deutete am Montagabend auch Haitis Premierminister Jean-Max Bellerive an. "Wir nehmen das nicht leicht." Allerdings wusste niemand, was das bedeutet. Man werde ihn "über die Akte gegen ihn unterrichten", sagte der Präsident der Anwaltskammer von Port-au-Prince, Gervais Charles. Duvalier soll Anwälte um sich versammelt haben. Seine mitgereiste Frau Veronique Roy indes behauptet, ihr Mann sei keineswegs verhaftet worden. "Überhaupt nicht. Wir sind sehr entspannt, trinken Kaffee und Wasser." Es würden nur Kopien gemacht. "Wir wissen nicht warum."

Beobachter rätseln über den Fall Duvalier. Die ungebetenen Gäste wohnten zunächst im Hotel Karibe im Vorort Pétionville von, beschützt von Polizei und Blauhelmen der UN. Der einstige Tyrann Duvalier traf dort alte Vertraute und hatte eine Presseerklärung abgeben wollen, ehe die Behörden vorstellig wurden.

Ein Teil der Bevölkerung ist auf seiner Seite. Viele Einwohner waren noch nicht geboren, als die Duvaliers wüteten. Einige Ältere verklären angesichts der katastrophalen Gegenwart die Vergangenheit. Gerüchte blühen. Ist dies ein Manöver des Präsidenten René Préval? Und wird bald ein weiterer Exilant vorstellig, der ehemalige Volkstribun Jean Bertrand Aristide? Am Dienstag berichtete die Zeitung Le Nouvelliste, Aristide habe in der haitianischen Botschaft in Südafrika einen Reisepass beantragt, doch sei ihm das Dokument verweigert worden.

Gegner Prévals vermuten, der unbeliebte Staatschef könnte hinter dieser Volte mit Duvalier stecken. Er wolle "die Konfusion steigern", verkündete Evans Paul, Bürgermeister von Port-au-Prince. Die Hauptstadt liegt seit dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 in Trümmern, mehr als 300000 Menschen starben, die Cholera wütet. Haitianische Regierung, Vereinte Nationen und Hunderte weiterer Organisationen scheitern am Versuch des Wiederaufbaus. Und ein Nachfolger für den unpopulären Préval ist nicht gefunden, dabei müsste er am 7.Februar abtreten.

Der erste Wahlgang war eine Farce, die zweite Runde fiel angesichts der Klagen wegen massiven Betrugs bisher aus. In einer Studie bestätigte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die Vorwürfe. Demnach hatte nicht, wie von der Wahlbehörde behauptet, Prévals Kandidat Jude Célestin den zweiten Platz bei der Abstimmung belegt, sondern der oppositionelle Sänger Michel Martelly. Die OAS empfiehlt, dass Martelly in der Stichwahl gegen Mirlande Manigat antritt. Es gibt jedoch noch keine Einigung. (Seite 4)

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SZ vom 19.01.2011/olkl
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