Haiti:Mordauftrag aus Florida

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Schwer bewaffnete Soldaten bewachen nun die Residenz des Übergangspremiers Claude Joseph in Port-au-Prince. (Foto: Matias Delacroix/AP)

Ein haitianischer Arzt, der in den USA lebt, soll den Mord des Präsidenten seiner Heimat in Auftrag gegeben haben. Was aber waren seine Motive?

Ein in Florida lebender Arzt aus Haiti soll der Drahtzieher des brutalen Mordes am haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse vergangene Woche sein. Das teilte in Port-au-Prince der Interimspolizeichef Léon Charles am Sonntag (Ortszeit) mit. Der 63-Jährige habe "politische Absichten" gehabt. Es wurde spekuliert, dass er die Präsidentschaft des Karibikstaates selbst übernehmen wollte. Der Mann sei vor Kurzem in einem Privatflugzeug nach Haiti gekommen und wurde dort festgenommen.

Der beschuldigte Christian Emmanuel S. hatte laut Polizei die kolumbianischen Söldner angeheuert, die Mittwochnacht Moïses Residenz schwer bewaffnet gestürmt und den Präsidenten im Schlafzimmer erschossen haben. Darauf weise hin, dass S. der erste war, den die mutmaßlichen Täter nach der Tat angerufen hätten. In seiner Wohnung seien Beweise gefunden worden. US-Medien zufolge war darunter eine größere Menge Munition. Die Söldner soll er über eine venezolanische Sicherheitsfirma engagiert haben, die eine Niederlassung in Florida hat. Zudem habe S. mit weiteren Hintermännern des Anschlags in Kontakt gestanden. Auch zwei der insgesamt nun 21 Festgenommenen sind offenbar in Florida lebende Männer, die aus Haiti stammen.

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:Ein Mord, der in einen bitteren Machtkampf mündet

Die Aufklärung des Attentats auf Präsident Jovenel Moïse kommt nur schleppend voran. Und das Gerangel um seine Nachfolge hat längst begonnen.

Nach Angaben der Polizei führten 26 Kolumbianer und die beiden US-Bürger haitianischer Herkunft die Tat aus, bei der auch die Frau des Präsidenten verletzt wurde. Die Täter sollen sich als Angehörige der US-Drogenbehörde DEA ausgegeben haben. Drei der Kolumbianer wurden demnach getötet, nach den übrigen wird gefahndet.

Politisch hat sich das Chaos im völlig verarmten Haiti nach dem Präsidentenmord noch zugespitzt. Unter dem seit 2017 amtierenden Moïse war das Land nahezu gelähmt. Es gab gewalttätige Proteste gegen ihn, Moïse galt als autokratisch und korrupt. Ihm wurde vorgeworfen, seine Firma habe Millionen Dollar aus dem Petrocaribe-Programm veruntreut, mit dem Venezuela Karibikstaaten fördern wollte. Zudem soll Moïse Verbindungen zu kriminellen Banden gehabt haben.

Beamte des FBI und des US-Heimatschutzes sind zur Unterstützung in Haiti

Haiti hat seit anderthalb Jahren kein beschlussfähiges Parlament. Wahlen waren für September geplant. Es gibt sowohl Bestrebungen, sie vorzuziehen, als auch, sie aufzuschieben. Außenminister Claude Joseph führt seit dem Mord die Regierung, international ist er derzeit als Ansprechpartner anerkannt. Moïse hatte allerdings zwei Tage vor seiner Ermordung den Neurochirurgen und früheren Innenminister Ariel Henry zu Josephs Nachfolger ernannt. Henry wurde aber nicht vereidigt, doch auch er beansprucht das Amt. Der beschlussunfähige Senat Haitis hatte am Wochenende Senatspräsident Joseph Lambert zum Interimsstaatspräsidenten gewählt.

Joseph hatte die USA gebeten, Truppen zu schicken, um für Sicherheit im Land zu sorgen, was die USA jedoch abgelehnt haben. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte aber inzwischen einem US-Fernsehsender, Haitis Bitte werde nochmals geprüft. Aus den USA sind FBI-Ermittler und Beamte des Heimatschutzministeriums in Haiti eingetroffen, um bei der Aufklärung der Ermordung Moïses zu helfen. Sie kamen mit Interimspolizeichef Charles und Politikern zusammen, die im Machtkampf in Port-au-Prince eine Rolle spielen. Auch Kolumbien hat Polizisten einer Spezialeinheit und Geheimdienstmitarbeiter nach Haiti entsandt, wie CNN berichtete.

Das Weiße Hauses kündigte unterdessen an, die USA würden Corona-Impfstoffe in das ehemals von den Vereinigten Staaten besetzte Land schicken, wo bisher keine Vakzine zur Verfügung stehen und die Fallzeilen steigen.

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