Haider und die geheimen Millionen:Schlaraffenland Österreich

Über die Spendenskandale deutscher Parteien konnten Österreichs Politiker nur lachen. Nicht nur der Alpen-Ayatollah Haider bediente sich ungeniert am großen und kleinen Geld. Doch Schlaraffenland ist abgebrannt.

Michael Frank, Wien

Helmut Kohl, Roland Koch, Wolfgang Schäuble - wären sie Österreicher, sie wären alle gänzlich unbescholtene Leute. Klebrige Geldflüsse und peinliche Verschleierung, die einst die berüchtigte CDU-Spendenaffäre ausgemacht haben, sind in dem Nachbarland weder eindeutig untersagt noch von Strafe bedroht. Entsprechend amüsiert und befremdet zugleich verfolgte man damals in Wien das politische Erdbeben in Deutschland, zumal das schlechte Gewissen in Spendensachen denkbar schwach schlägt. Derlei sei doch üblich und ganz normal, so die schulterzuckende Reaktion.

Joerg Haider, Moammar Gadhafi

Nahm gerne Geschenke vom Revolutionsführer: Der verstorbene Landeshauptmann von Kärnten, Jörg Haider.

(Foto: AP)

Kabarettistisch anmutende Regeln

Der tote Alpen-Ayatollah Jörg Haider, einst Schreckgespenst der etablierten Parteien Österreichs, tut deshalb posthum seiner Heimat seinen vielleicht einzigen nachhaltigen Gefallen: Die Affäre um angebliche Haider-Geheimkonten in Liechtenstein und der Schweiz mit Millionen aus dubiosen Quellen hat die wurstige Kritiklosigkeit gegenüber dem Parteiengesetz dröhnend beendet.

Die Stichhaltigkeit der Vorwürfe bedarf zwar noch dringender Klärung. Erschrocken haben sich dennoch sozialdemokratische SPÖ und christsoziale ÖVP, die Großkoalitionäre in Wien, darauf verständigt, noch dieses Jahr per Gesetz den undurchsichtigen Spendenwildwuchs zu roden.

Österreichs Parteien werden ohnehin vom Steuerzahler großzügigst alimentiert. Sie beziehen über Parteienförderung und Wahlkampfkostenerstattung umgerechnet fast das Doppelte des in Nachbarländern und im europäischen Durchschnitt Üblichen. Darüber hinaus gelten fast schon kabarettistisch anmutende Regeln: Kleines Geld ist gar nicht zu deklarieren.

Nur Spenden jenseits von 7260 Euro - die krumme Summe errechnet sich aus einstmals 100.000 Schilling - müssen deklariert werden. Der Spender wird aber nur dem Präsidenten des Österreichischen Rechnungshofs genannt, der darüber schweigen muss.

Wer erwischt wird, hat nichts zu befürchten

Verheimlicht jemand Großspenden ganz, geschieht im Entdeckungsfall nichts - keine Sanktionen, keine Strafe. Firmen und Interessengruppen tarnen Großspenden zudem über Zwischenträger, wie die Industriellenvereinigung auf der schwarzen und die SPÖ-Vorfeldorganisationen auf der roten "Reichshälfte". Oder sie stückeln Großspenden unterhalb der genannten Summe, um sie ganz aus der Nennungspflicht zu nehmen.

Homepage für 275.000 Euro

Haider selbst war ein gekonnter Nehmer: Er flog mit Firmen-Hubschraubern, fuhr mit "geliehenen" Luxusautos, ließ sich Flugreisen bezahlen, bekam von allüberall Geld zugesteckt, dessen Herkunft und Verbleib nie dokumentiert wurden. Kein Wunder, dass die sonst rhetorisch so auf "Ehrlichkeit" erpichten Freiheitlichen (FPÖ) sowie deren Abspaltung BZÖ, deren Chef Haider jeweils war, der geplanten Reform reserviert gegenüberstehen.

Kern der Sache soll sein, dass von 7000 Euro aufwärts alles mit Namen deklariert werden muss, dass Verschleierungsumwege verboten und Verstöße nach deutschem Vorbild mit erklecklichen Strafen geahndet werden. Verdeckte Spenden über üppige Anzeigen für Parteizeitungen sollen - vielleicht - auch eingerechnet werden. Sich von ausländischen Machthabern aushalten zu lassen - was sich Haider von Herren wie Muammar el Gaddafi oder Saddam Hussein gerne, oft und legal gefallen ließ - soll wie in fast allen anderen zivilisierten Nationen verboten sein.

Bis heute können Parteien und Politiker zielgerichtet honoriert werden, ohne dass die neu geschaffene Antikorruptionsstaatsanwaltschaft eine Handhabe hätte. Berüchtigt ist die persönliche Homepage, die sich Karl-Heinz Grasser einst als Finanzminister von der Industriellenvereinigung für 275.000 Euro einrichten ließ. Die bislang unbewiesenen Geheimkassen des selbsternannten moralischen Scharfrichters Haider werden zumindest die völlige Ungeniertheit von Geldgebern und -empfängern auf Österreichs politischer Bühne beenden.

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