Haftstrafen für Drogenhandel:Obamas Weihnachtsgeschenk für Dealer

Inmates workout in the yard at Corcoran State Prison in California

Häftlinge in einem Gefängnis in Kalifornien.

(Foto: REUTERS)

Hoffnung für viele Gefangene, die wegen Drogenhandels langjährige Haftstrafen in Amerikas Gefängnissen absitzen: Präsident Obama ordnet persönlich an, acht von ihnen zu entlassen. Die neue Milde könnte endlich die eiskalte Strafjustiz gegen Kleindealer beenden.

Von Jannis Brühl

Clarence Aaron darf nach Hause. Er sitzt seit 20 Jahren im Gefängnis, verurteilt zu dreimal lebenslänglich. Er hat niemanden verletzt, vergewaltigt oder getötet, auch mit den Drogen hat er nicht selbst gehandelt. Mit 24 stellte er den Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer her - und büßte wie ein Drogenboss. So schrieb es das Gesetz vor. Nun soll er bis spätestens 17. April 2014 entlassen werden - auf direkte Anweisung von Präsident Barack Obama.

Die Begnadigung von Clarence Aaron (ein Interview mit ihm lesen Sie hier) und die sieben weiterer Sträflinge sind ein deutliches Zeichen, dass sich die US-Regierung ernsthaft um die Tausenden Gefangenen - meist Angehörige von Minderheiten - bemüht, die für ihre Beteiligung an kleinen Drogendeals absurd hohe Haftstrafen absitzen. "Heute verkürze ich die Gefängnisstrafe von acht Männern und Frauen, die unter einem unfairen System verurteilt wurden", verkündete Obama am Donnerstag.

Dieses "unfaire System" wurde in den achtziger Jahren landesweit installiert und gilt Kritikern als Symbol einer rassistischen Justiz - unter den Gesetzen sind Schwarze und Latinos überproportional häufig und überproportional hart bestraft worden. Die Drogenepidemien in den Städten führten damals zu einem Überbietungswettbewerb der Politiker in der Diszplin "Law and Order". Wie die "mandatory sentences" - die gesetzlich vorgeschriebenen Strafen für Drogenhandel - funktionieren und wie Gefangene um ihre Freiheit kämpfen, steht in diesem Report von Süddeutsche.de:

Mandatory sentencing hat junge Männer oft für mehr als ein Jahrzehnt aus ihren Familien gerissen - ohne dass sie Gewalttaten begangen hätten. Der Begriff steht für zwingende Mindeststrafen, die Richter stur nach Tabellen verhängen müssen: Wer mehr als fünf Gramm Crack verkaufte, musste bis 2010 für fünf bis 40 Jahre ins Gefängnis, auch wenn es sein erstes Verbrechen war. Bei mehr als 50 Gramm waren Richter verpflichtet, zehn Jahre bis lebenslänglich zu verhängen, selbst wenn sie persönlich die Strafe für zu hart hielten. Eingeführt wurden diese Gesetze zunächst in einzelnen Staaten mit dem Ziel, Drogenepidemien einzudämmen. 1986 erließ der Kongress ein entsprechendes Gesetz für das ganze Land. Massen von Straßenverkäufern und "Maultieren", die Drogen transportierten, wurden weggesperrt.

Obama hat dieses System einerseits beschnitten. 2011 senkte er die verhängnisvolle Formel, nach der Angeklagte für eine bestimmte Menge Crack - mit Backpulver gestrecktes Kokain - 100 Mal härter bestraft werden können als für die gleiche Menge puren Kokains. Die Quote sank von 100:1 auf 18:1 - immer noch nicht wirklich fair, denn es handelt sich um dieselbe Droge. Die Formel führte dazu, dass Afroamerikaner häufiger zu den extrem langen Strafen verurteilt wurden - das billigere Crack ist vor allem in ihren Vierteln verbreitet. In diesem Sommer wies Justizminister Eric Holder Staatsanwälte im ganzen Land an, die eigentlich vorgeschriebenen Forderungen nach hohen Strafen mit einem juristischen Winkelzug zu umgehen.

Andererseits betrafen die Änderungen - die auch ganz praktisch überfüllte Gefängnisse entlasten und Kosten senken sollen - nur zukünftige Verfahren. Deshalb wurde kritisiert, dass Obama nichts für jene Gefangenen tue, die wegen der Regeln noch in Gefängnissen schmorten. Obama hat bisher weniger Menschen begnadigt als die Präsidenten vor ihm im gleichen Zeitraum. Das könnte sich von jetzt an ändern.

Justizminister Holder hat bereits durchblicken lassen, dass sich die Öffentlichkeit auf mehr Begnadigungen und Strafverkürzungen einstellen könne. Das Investigativportal Propublica zitiert Margaret Love, Anwältin von Clarence Aaron. Sie glaubt, dass sich die Politik nun endlich um langjährige Gefangene kümmert, die unter den Drogengesetzen übermäßig hart bestraft wurden: "Im Gefängnis gibt es viele Menschen, deren Fälle denen ähneln, die jetzt freigelassen werden."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: