Haftstrafe für italienischen Politiker:Berlusconi darf Senatssitz zunächst behalten

Das Oberste Gericht Italiens bestätigt das Urteil gegen den ehemaligen Premier Berlusconi, der aber wohl nicht ins Gefängnis muss. Über das fünfjährige Ämterverbot wird neu verhandelt - direkte Auswirkungen auf die Koalition des Sozialdemokraten Letta mit Berlusconis Partei PDL hat die Entscheidung damit nicht.

Von Andrea Bachstein, Rom

Italiens ehemaliger Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist rechtskräftig wegen Steuerbetrugs verurteilt worden. Das Kassationsgericht in Rom bestätigte am Donnerstag in letzter Instanz das Urteil im Mailänder Mediaset-Prozess, wonach Berlusconi vier Jahre Haft erhält, die allerdings durch eine Amnestie auf ein Jahr reduziert werden. Das damit verbundene fünfjährige Ämterverbot hob das Gericht jedoch auf. Über diesen Teil des im Mai gefällten Urteils muss in zweiter Instanz erneut verhandelt werden.

Überblick
Aktuelle Prozesse gegen Berlusconi
  • Unipol-Prozess: Silvio Berlusconi soll Aufzeichnungen eines vertraulichen Telefongesprächs an die Zeitung Il Giornale weitergegeben haben, um dem Linkspolitiker Piero Fassino zu schaden. Urteil in erster Instanz: ein Jahr Gefängnis.
  • Ruby-Prozess: Im Juni 2013 wird Berlusconi zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren verurteilt - wegen Sex mit einer Minderjährigen und Amtsmissbrauch. Das Urteil fällt allerdings in der ersten Instanz, in Italien bleiben diese Entscheidungen oft folgenlos.
  • Ermittlungen wegen Bestechung: Der ehemalige Senator Sergio De Gregorio soll Medienberichten zufolge gestanden haben, für einen Parteiwechsel im Jahr 2004 insgesamt drei Millionen Euro von Berlusconi erhalten zu haben. De Gregorios Eintritt in Berlusconis Partei sorgte dafür, dass die damalige Regierungkoalition unter Romano Prodi auseinanderbrach.

Berlusconi kann also sein Mandat als Senator vorläufig behalten und auch weiterhin bei Wahlen kandidieren, solange er nicht in Mailand möglicherweise mit einem neuen Verbot belegt wird. Seine Verteidiger hatten die Annullierung des vorigen Urteils ohne Neuverhandlung verlangt.

Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden, weil sie Berlusconis aktive politische Laufbahn nach fast 20 Jahren hätte beenden können. Nach einem mehrjährigen Verbot, öffentliche Ämter auszuüben, wäre ein Comeback für den nun fast 77 Jahre alten Politiker kaum vorstellbar gewesen. Die zwölf Monate Haft muss der Rechtspopulist wegen seines Alters mit großer Sicherheit nicht im Gefängnis verbüßen. Er kann sie entweder im Hausarrest absitzen oder mit gemeinnütziger Arbeit ausgleichen.

Von dem Urteil waren direkte Auswirkungen auf die von dem Sozialdemokraten Enrico Letta geführte Koalitionsregierung zwischen PD und Berlusconis Partei PDL befürchtet worden. Berlusconi hatte seine Anhänger deshalb aufgefordert, sich zurückzuhalten, und die Hardliner der PDL verzichteten auf geplante Protestaktionen. Dennoch war die Sorge groß, dass Reaktionen radikaler PDL-Politiker gegen das höchstrichterliche Urteil einen Bruch der Koalition hervorrufen könnten. Auf der anderen Seite hatten aber auch Teile der PD angekündigt, nicht weiter mit einer Partei kooperieren zu wollen, deren Führungsfigur zu Gefängnis verurteilt ist.

Präsident Napolitano ruft zur Ruhe auf

Präsident Giorgio Napolitano rief seine Landsleute am Abend in einer ersten Stellungnahme zur Ruhe auf. Italien müsse endlich zu "Gelassenheit und Zusammenhalt" zurückkehren, um lange vernachlässigte Reformen anpacken zu können.

Das fünfköpfige Richterteam unter dem Vorsitzenden Antonio Esposito hatte am Donnerstag nach zwei Tagen der Plädoyers mehr als sieben Stunden lang über die Entscheidung beraten. Die Urteilsbegründung wird erst in einigen Wochen vorliegen. Berlusconis Konzern Mediaset soll Schwarzgeldkonten im Ausland unterhalten und Preise für Filmübertragungsrechte künstlich in die Höhe getrieben haben. Der Anklage zufolge erwarben Scheinfirmen die Rechte und verkauften sie anschließend an Mediaset zurück. Weil ein Teil der Vorwürfe verjährt war, blieben zuletzt nur noch 7,3 Millionen Euro an hinterzogenen Steuern aus den Jahren 2002/2003. Berlusconis Anwälte hatten vor dem obersten Gericht argumentiert, es habe gar kein Delikt gegeben; Mediaset habe Gesetzeslücken benutzt.

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