Haftbefehl beantragt:Gaddafi soll in Den Haag vor Gericht

Mord, Folter, Vergewaltigung - die Vorwürfe gegen Muammar al-Gaddafi wiegen schwer. Jetzt soll der libysche Machthaber büßen: Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichthofs hat einen internationalen Haftbefehl beantragt. Auch ein Sohn des Despoten sowie der Geheimdienstchef sollen vor Gericht gestellt werden.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag hat am Montag internationale Haftbefehle gegen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam sowie Geheimdienstchef Abdullah Senussi beantragt. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, darunter Morde, Folter, die Verfolgung unschuldiger Menschen und Vergewaltigungen.

Muammar al-Gaddafi

Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi bei einer Rede vor den Vereinten Nationen im Jahr 2009: Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs wirft ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

(Foto: dpa)

"Diese Verbrechen gehen weiter, während wir versammelt sind", sagte Chefankläger Luis Moreno-Ocampo bei einer Pressekonferenz in Den Haag. "Gaddafi hat die Verbrechen verübt, um seine Macht zu sichern." Die Verdächtigen sollen vor allem für blutige Überfälle von Sicherheitskräften auf friedliche Demonstranten sowie die Tötung von Zivilisten bei Angriffen seiner Truppen auf regierungsfeindliche Rebellen verantwortlich sein.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte den Haftantrag gegen Gaddafi: "Ein Mann, der einen Krieg gegen das eigene Volk führt, der muss sich auch verantworten", sagte Westerwelle bei einem Besuch in Marrakesch.

70 Seiten Beweismaterial

Der Chefankläger begründete die Haftanträge in einem mehr als 70 Seiten umfassenden Dossier mit Beweismaterial der Staatsanwaltschaft. Die Akte wurde den drei Richtern der Prüfungskammer des IStGH übergeben. Erst wenn sie entscheiden, dass die Vorwürfe hinreichend belegt sind und einen Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit rechtfertigen, können die Haftbefehle tatsächlich ausgestellt werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft Gaddafi und den anderen Verdächtigen persönliche strafrechtliche Verantwortung für die Tötung von mindestens 500 bis 700 Demonstranten vor. Sie legt ihnen zudem den Einsatz schwerer und teils sogar verbotener Waffen - speziell Splitterbomben - gegen Zivilisten sowie gezielte Vergewaltigungen als Mittel zur Einschüchterung der Bevölkerung zur Last.

Tripolis will Strafbefehl ignorieren

Der UN-Sicherheitsrat in New York hatte dem Den Haager "Weltstrafgericht" das Mandat für Ermittlungen im Libyen-Konflikt am 26. Februar einstimmig erteilt. Bereits am 4. Mai berichtete Moreno-Ocampo dem höchsten politischen Entscheidungsgremium der Weltorganisation, er habe ausreichendes Beweismaterial. "Es wird in Libyen keine Straflosigkeit geben", versprach der Chefankläger.

Die libysche Führung in Tripolis hat bereits angekündigt, einen möglichen Strafbefehl des IStGH zu ignorieren. Das Gericht sei ein "Baby der Europäischen Union, um afrikanische Führer zu verfolgen", wurde der stellvertretende Außenminister Chalid Kaim in libysche Staatsmedien zitiert.

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