Häftlinge in Guantanamo:86 Mal Hoffnung

Lesezeit: 2 min

Blick auf Guantanamo: Zumindest 86 Häftlinge sollen entlassen werden, viele von ihnen kehren in ihr Heimatland Jemen zurück. (Foto: Getty Images)

Zermürbende Lebensbedingungen für die Häftlinge, rufschädigend und teuer für die USA: Guantanamo steht für Verzweiflung und uneingelöste Wahlversprechen. Zumindest 86 Häftlinge sollen nun freikommen. Doch wohin mit ihnen?

Von Hubert Wetzel

Eigentlich dürfte es das Problem Guantanamo längst nicht mehr geben. Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Präsidenten Barack Obama war der Erlass eines Dekrets, das die Schließung der umstrittenen Militärhaftanstalt für Terrorverdächtige binnen eines Jahres verfügte. Das war im Januar 2009. Ende Mai 2013 beherbergt das Lager auf Kuba immer noch 166 Menschen, die dort ohne ordentlichen Prozess festgehalten werden. Und auch wenn die Zeit der Folterverhöre vorbei ist - die Lebensbedingungen in dem Camp auf Kuba sind so zermürbend, dass derzeit mehr als 100 Häftlinge im Hungerstreik sind.

Am Donnerstag kündigte Obama einen neuen Vorstoß an, um das Lager endlich zu schließen. Der weitere Betrieb sei weder moralisch noch finanziell zu rechtfertigen, sagte Obama: "Stellen Sie sich eine Zukunft vor - in zehn oder 20 Jahren -, in der die USA immer noch Menschen festhalten, die keines Verbrechens angeklagt worden sind." Amerikas Ruf in der Welt leide immer noch unter dem Unrecht, für das Guantanamo steht - ganz abgesehen davon, dass der Betrieb des Lagers pro Jahr satte 150 Millionen Dollar verschlinge.

Heimkehr nach Jemen

Doch leicht wird die Schließung nicht werden. Die Republikaner im Kongress haben Obama von Anfang an Steine in den Weg gelegt, vor allem durch das Verbot, Häftlinge von dem Stützpunkt in der Karibik auf das amerikanische Festland zu verlegen. Das machte es für Obama unmöglich, die Zellen in Guantanamo zu leeren. Mit einem Einlenken der Republikaner ist derzeit nicht zu rechnen. Obama will daher versuchen, zunächst einmal jene 86 Häftlinge loszuwerden, die bereits überprüft, als ungefährlich eingestuft und zur Entlassung freigegeben wurden. 56 von ihnen stammen aus Jemen, bisher hatte das Weiße Haus jedoch ihre Rückführung dorthin verboten wegen der Sorge, sie könnten sich dort Terrorgruppen anschließen. Dieses Verbot hat Obama nun aufgehoben.

Zudem soll es im Außen- und im Verteidigungsministerium künftig zwei Beamte geben, die Aufnahmeländer für entlassene Guantanamo-Häftlinge suchen. Auf diese Weise ließe sich die Zahl der Inhaftierten halbieren. Allerdings: Bisher war es für die USA schwer, Aufnahmeländer für Menschen aus Guantanamo zu finden.

Rechtsstaatlich - zumindest in groben Zügen

Für zwei weitere Häftlingsgruppen ist die Zukunft noch ungewisser. Da sind zum einen jene hochrangigen Al-Qaida-Mitglieder, die lange in CIA-Geheimgefängnissen untergebracht waren und dort gefoltert wurden. Einige von ihnen, darunter Khalid Scheich Mohammed, der maßgeblich für den Terrorangriff am 11. September 2001 verantwortlich sein soll, stehen derzeit in Guantanamo vor Militärtribunalen. Obama hatte versucht, sie vor ein ziviles Gericht in den USA zu stellen, der Kongress hatte das jedoch verboten. Trotzdem befinden sich diese Männer, etwa ein Dutzend an der Zahl, inzwischen in einem juristischen Verfahren, das zumindest in groben Zügen rechtsstaatlich verläuft. Das heißt: Es gibt eine offizielle Anklage, eine Beweisaufnahme, die Angeklagten haben Verteidiger. Und irgendwann wird ein Gerichtsurteil vorliegen, mit dem die weitere Inhaftierung begründet werden kann.

Das gilt ausdrücklich nicht für die dritte Häftlingsgruppe, die das eigentliche Kernproblem bei der Schließung Guantanamos ist: jene Männer, von denen die US-Behörden fest zu wissen glauben, dass sie gefährliche Terroristen sind - die aber nicht vor ein ordentliches Gericht, ob nun ein ziviles oder militärisches, gestellt werden können, weil die Beweise gegen sie zu schwach sind oder auf illegale Weise (etwa durch Folter) erlangt wurden. Obama weiß, dass er diese potenziell bedrohlichen Häftlinge nicht einfach laufen lassen kann. Wie lange er sie aber noch einsperren will - und wo, wenn nicht auf Kuba - hat er nicht gesagt. Man werde, so versprach er, schon eine Lösung finden.

© SZ vom 25.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: