Hadsch:Die Pilgerfahrt wird zum Lottospiel

Hadsch: Am 7. Juli startet die große Pilgerfahrt in Mekka. Diesmal sind wieder ausländische Pilger zugelassen, wenn auch weniger.

Am 7. Juli startet die große Pilgerfahrt in Mekka. Diesmal sind wieder ausländische Pilger zugelassen, wenn auch weniger.

(Foto: Amr Nabil/AP)

Muslime aus Europa, den USA und Australien wollten nach der Pandemie nach Mekka. Jetzt sorgt ein neues Anmeldesystem für Frust.

Von Dunja Ramadan, München

Eine Reise des Friedens sollte es werden, beschwerlich war sie sicher auch: Zehn Monate und 26 Tage war der Brite Adam Mohammed nach eigenen Angaben unterwegs, er durchquerte elf Länder, darunter die Niederlande, Deutschland, die Tschechische Republik, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, die Türkei, Syrien und Jordanien. Insgesamt 6500 Kilometer waren es zu Fuß, von seinem Wohnort Großbritannien bis nach Saudi-Arabien.

Anfang der Woche kam der 52-jährige gebürtige Iraker in seinem Zielort Mekka an, dem zentralen Wallfahrtsort des Islam - pünktlich zur Hadsch, der großen Pilgerfahrt, die am 7. Juli beginnt. In Mekka empfingen ihn zahlreiche Pilger, sie beglückwünschten ihn zur erfolgreichen Reise. Gemeinsam riefen sie: "Allahu akbar", "Gott ist größer", ein Ausruf, den die Mehrheit der Muslime eben vor allem in Glücksmomenten ruft.

Mit seinem kleinen Wagen, den Adam Mohammed vor sich herschob und in dem er schlief und kochte, fiel er überall auf. Plakatiert mit der Kaaba, dem schwarzen Würfel, der im Hof der Al-Haram-Moschee steht, wurde schnell klar, welches Ziel er hatte. Er habe keinerlei Schwierigkeiten gehabt während der Reise, sagte er dem Fernsehsender Al-Arabiya, nur das Wetter habe ihm zu schaffen gemacht.

Europäischen, australischen und amerikanischen Muslimen machen derweil vor allem die veränderten Einreisebestimmungen für die diesjährige Pilgerfahrt zu schaffen. 2020 durften wegen der Pandemie nur 1000 auserwählte Pilger die Hadsch vollziehen, 2021 immerhin 60 000 saudische und in Saudi-Arabien lebende Pilger. Und in diesem Jahr könnten es wieder eine Million werden (vor Corona waren es rund 2,5 Millionen). Es sei denn, man wurde von Motawif, der exklusiven Anmeldeplattform des saudi-arabischen Hadsch-Ministeriums, ausgelost.

Nun gibt es nur noch den einen Weg nach Mekka: Willige Pilger müssen sich auf der Webseite anmelden, ihre Formulare (samt Corona-Zertifikat hochladen) und warten, ob sie per Verlosung einen Pilgerplatz bekommen. Pilgerfahrt-Lotterie also. Extra für die "Gäste Allahs", wie es auf der Webseite heißt. Die Preise für den knapp zweiwöchigen Aufenthalt im Königreich variieren zwischen 5100 Euro bis 6500 Euro pro Person, inklusive Flug mit, natürlich, der Saudia-Airline. Die Begründung für das zentralisierte System? Betrügereien und mangelnde Transparenz. Aha. Kürzlich warnte das Hadsch-Ministerium vor Social-Media-Konten, die die Hadsch zu niedrigen Preisen bewerben.

Auf Twitter schildern enttäuschte Muslime europaweit ihre Erfahrungen mit dem neuen Anmeldesystem unter dem Hashtag #paidbutfailed (gezahlt, aber gescheitert). Zahlreiche Nutzer berichteten von fehlgeschlagenen Buchungen via Motawif trotz Bezahlung. Erst hören sie tagelang nichts, dann müssten sie innerhalb von 48 Stunden den Flug antreten. Wenn überhaupt.

Auch in Deutschland wird die neue Anmeldeprozedur kritisch gesehen. Für die zahlreichen hiesigen Reiseagenturen, die sich auf die Hadsch spezialisiert haben, könnte das den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Muslime, die ihre Tickets dort bereits gebucht haben, werden ihre Zahlungen zurückfordern. Das Reisebüro Duyuf Arafeh in Rüsselsheim hat erst seit Ende 2021 geöffnet. Sie haben in diesem Jahr gar keine Reisen zur diesjährigen Hadsch angeboten, da die geringe Anzahl zugelassener Pilger sowie die hohen Kosten kaum Kunden anziehen, erzählt Leen Sabbagh am Telefon.

Derzeit planen sie kleine Pilgerfahrten, die Umrah, die während des gesamten Jahres unternommen werden können. Zwei Gruppen je 50 Personen reisen im Dezember nach Mekka. Die große Pilgerfahrt scheint man nun den Großen überlassen zu müssen.

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