Hacker-Attacke auf Bundestag:Parlament als Lachnummer

Der Cyber-Angriff gilt dem politischen System, nicht nur der Technik. Es verwundert, wie vergleichsweise gelassen Öffentlichkeit und Parlament auf diese Attacke reagieren. Mehr Aufregung wäre wirklich angebracht.

Von Tanjev Schultz

Wenn etwas in diesem Land systemrelevant ist, so ist das der Deutsche Bundestag. Er ist, wie es so schön heißt, die Herzkammer der Demokratie. Dieses Herz muss pochen. Deshalb ist der Hackerangriff auf die Computer des Bundestags wirklich bedrohlich. Es ist ein Angriff auf das politische System, nicht nur auf die Technik.

Es verwundert, wie vergleichsweise gelassen und geduldig in der Öffentlichkeit, aber auch im Parlament auf diese Attacke reagiert wird. Es fehlt in dieser Demokratie ja nicht an Erregung und bisweilen künstlicher Hysterie. Das nervt oft. In diesem Fall wäre ein bisschen mehr Aufregung angebracht.

Mittlerweile zucken viele nur noch mit den Schultern. Merkels Handy wird abgehört? War doch klar. Amerikaner, Russen und Chinesen spionieren in Deutschland? Was denn sonst. Hacker zapfen die Computer von Abgeordneten an? Ja, logisch. So ist sie eben die Welt, sie steckt voller alter und neuer Gefahren. Was soll und kann man schon dagegen tun?

Die Abwehr von Spionen und Cyberkämpfern ist schwierig, manchmal mag sie aussichtslos wirken. Doch eine Kapitulation darf es nicht geben. Der Bundestag hat sein IT-Netz zu wenig geschützt.

Offensichtlich gab es keinen Plan für den Fall, der nun eingetreten ist. Die Bedrohung durch Hacker ist schlicht nicht ernst genug genommen worden, und jetzt tut sich das Parlament auch sehr schwer damit, den Schaden zu beheben und energisch gegen die Eindringlinge vorzugehen.

Ein bisschen mehr Aufregung wäre angebracht

Es ist schwer vorstellbar, dass der Abwehrkampf gegen Hacker genauso lahm und verzagt ablaufen würde, wenn das Kanzleramt oder ein Weltkonzern betroffen wären. Über den - noch gar nicht abschätzbaren - technologischen Schaden hinaus entsteht ein verheerender Eindruck: Der Bundestag nimmt sich selbst nicht so wichtig. Für einen einzelnen Politiker wäre das vielleicht lobenswert, nicht jedoch für das Parlament als Institution.

Deshalb ist es auch wenig tröstlich, wenn die Meinungen der Experten noch darüber auseinandergehen, wie ausgefeilt und schwerwiegend dieser Hackerangriff eigentlich ist. Es ist in jedem Fall schlimm genug, wenn Abgeordnete und Bürger befürchten müssen, dass ihre vertrauliche Kommunikation eine leichte Beute für Cyberkrieger ist.

Das Vertrauen wird nicht dadurch wiederherzustellen sein, dass man nun die deutschen Geheimdienste dafür mobilisiert, den Bundestag besser zu schützen - und damit jene Gremien und Politiker, die in jüngster Zeit genügend Anlässe hatten, die Arbeit eben dieser Geheimdienste sehr kritisch zu sehen.

Die Abgeordneten können es nicht bei dem neuen IT-Sicherheitsgesetz belassen, das sie zufälligerweise am Freitag verabschiedet haben. Der Bundestag braucht ein neues, besonders gut geschütztes IT-Netz.

Es könnte so ähnlich funktionieren wie das Computersystem der Bundesregierung, das natürlich auch nicht völlig sicher ist, aber immerhin sicherer. Reagiert der Bundestag nicht, wird das Parlament für Hacker zur Lachnummer.

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