Abhängigkeit von Russland:Habeck: Ölembargo wäre "handhabbar" für Deutschland

Bundesminister für Wirtschaft und Energie in Polen

Hält eine Unabhängigkeit von russischem Öl innerhalb von Tagen für möglich: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

(Foto: dpa)

Der Minister überrascht in Warschau mit Aussagen zu einem möglichen Stopp von Öllieferungen aus Russland. Dafür sei man gerüstet, denn der Anteil liege nur noch bei zwölf Prozent. Und selbst dafür sei eine Alternative in Sicht, die innerhalb von Tagen verfügbar sei.

Von Oliver Klasen

Oh, hat er das wirklich gesagt? Robert Habeck, Wirtschafts- und Klimaschutzminister, ist an diesem Dienstag in Warschau bei seiner Amtskollegin Anna Moskwa zu Gast.

Man wolle ausloten, wie die Abhängigkeit von russischem Öl verringert werden könne, heißt es vor dem Treffen. Es gehe darum, alternative Importrouten zu finden, jenseits der von Russland kontrollierten Pipelines. Man wolle "die Zusammenarbeit im Bereich Öl intensivieren". Das klingt alles nicht nach Sensationen, sondern nach business as usual unter Ministern in Zeiten des Krieges und völlig im Einklang mit der bisherigen Linie der Bundesregierung. Ja, man arbeite daran, auf russisches Öl verzichten zu können, "jeden Tag", wie Habeck in den vergangenen Wochen immer wieder betont hat, aber das dauere halt. Der Minister sprach bisher davon, dass es bis Ende des Jahres gelingen könne, mit der Unabhängigkeit von russischem Öl.

Nun aber, in Warschau, sagt Habeck plötzlich etwas völlig anderes, etwas, dass nicht mehr business as usual in einer Ampelkoalition ist, die aus den eigenen Reihen und von internationalen Partnern zunehmend gedrängt wird, mehr zu tun, was die Sanktionen gegen Russland angeht. Die gedrängt wird zu einem Ölembargo, das noch wichtiger ist als ein Gasembargo, weil vor allem das Öl Putin Devisen in die Kasse fließen lässt, mit denen er sein Militär und alle anderen Ausgaben finanzieren kann.

Habeck sagt also: "Heute kann ich sagen, dass ein Embargo handhabbar für Deutschland geworden ist". Deutschland sei gerüstet für einen Stopp russischer Öllieferungen. Und zwar gerüstet nicht irgendwann in ein paar Monaten, sondern jetzt quasi unverzüglich. Der Anteil russischen Öls, den Deutschland beziehe, liege nur noch bei etwa zwölf Prozent. Und dieser Anteil entfalle allein auf Lieferungen für die PCK Raffinerie in Schwedt an der Oder. "Und Schwedt, das darf ich einfach mal aussprechen, wird von einer russischen Firma, von Rosneft, gemanagt." Das Geschäftsmodell des Staatskonzerns sei es, russisches Öl zu kaufen. Für dieses Öl sei man auf der Suche nach einer Alternative. "Diese Alternative ist Aufgabe der nächsten Tage." Er gehe davon aus, dass es sich tatsächlich nur um Tage handele. Offenbar will die Bundesregierung die Lücke aus der nationalen Ölreserve schließen.

Experten sind der Ansicht, dass ein Ölembargo anders als ein Stopp der Gaslieferungen für die deutsche Wirtschaft verkraftbar wäre. Gerade ist eine im Auftrag von Greenpeace verfasste Studie veröffentlicht worden, in der die Fachleute zu dem Schluss kommen, dass die Raffinerien in Deutschland sofort auf Importe aus Russland verzichten könnten. Der Preisanstieg bei Benzin und Heizöl werde sich in Grenzen halten.

Noch vor wenigen Wochen hatte Habeck allerdings vor diesem Schritt gewarnt, jedenfalls dann, wenn er einseitig von Deutschland erfolge. Man sehe sich in einem solchen Fall nicht mit "individuellen Komforteinschränkungen" konfrontiert, sondern mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen "Verwerfungen schwersten Ausmaßes". Jedwede Sanktion müsse so gestaltet sein, dass Deutschland sie zwei oder drei Jahre "stehen" könne, wie Habeck es formulierte.

Schon damals hat man den Eindruck gewinnen können, dass hier ein Minister redet, der die Verantwortung des Amtes spürt und lieber nichts sagt, was er am Ende nicht halten kann. Der bemüht ist, keine Aussagen zu machen, die vielleicht für Turbulenzen auf den Märkten sorgen und die Benzinpreise noch höher treiben können als sie ohnehin schon sind. Ein Minister aber, der im Hintergrund längst alle Szenarien dafür durchrechnen lässt, damit Deutschland sehr bald ohne Öl aus Russland auskommt. Offenbar ist Habeck jetzt tatsächlich der Ansicht, dass Deutschland ein Ölembargo "stehen" könnte.

Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa

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Die Raffinerien hierzulande könnten sofort auf Importe aus Russland verzichten, lässt Greenpeace vorrechnen. Auch der Preisanstieg würde sich in Grenzen halten.

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