Ölembargo:Habeck: "Es wird rumpelig werden"

Die deutsche Regierung dringt in der EU darauf, kein russisches Öl mehr zu kaufen. Der Wirtschaftsminister weiß um die Gefahren - und erklärt, warum am Ende Putin profitieren könnte.

Von Michael Bauchmüller und Josef Kelnberger, Brüssel

Es sind ganz neue Töne, die in Brüssel aus Berlin zu hören sind: Die Deutschen müssen nicht mehr zu Energie-Sanktionen gegen Russland gedrängt werden - sie dringen selber darauf. Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck und auch Finanzminister Christian Lindner bekräftigten in Stellungnahmen am Sonntag und Montag, dass die Bundesregierung für einen europaweiten Import-Stopp für russisches Öl eintrete. Nach Informationen der SZ will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Entwurf für das mittlerweile sechste Sanktionspaket - mit dem Ölembargo als Hauptbestandteil - spätestens am Mittwoch dieser Woche vorlegen, damit es noch an dem Tag von den EU-Botschaftern der 27 Mitgliedsländer erstmals beraten werden kann.

Bei den vorbereitenden Treffen der EU-Botschafter trat die deutsche Seite vergangene Woche überraschend offensiv auf. Deutschland plädierte für ein Ölembargo mit angemessenen Übergangsfristen. Wie diese Fristen aussehen könnten, nur ein paar Wochen oder doch bis zum Jahresende, darüber gab es zumindest bis Montagmittag offenbar noch keine Verständigung zwischen Kommission und Mitgliedsländern. Um Einstimmigkeit zu erreichen, sind Sonderregeln im Gespräch für die Slowakei und vor allem Ungarn, die in besonderem Maße von russischem Öl abhängig sind. Die ungarische Regierung bekräftigte am Montag, sie sei für einen Import-Stopp nicht zu haben. Die Kommission brauche sich gar nicht die Mühe zu machen, einen Vorschlag auf den Tisch zu legen, der ungarische Importe einschränke.

Robert Habeck ließ am Montag erkennen, die deutsche Regierung halte selbst ein sofortiges Embargo für handhabbar, würde sich aber einige Wochen Übergangsfrist wünschen. Andere Länder seien aber noch nicht so weit, und man wolle keine ökonomischen Katastrophen in Europa auslösen. Ein sofortiger Einfuhrstopp würde auch in Deutschland ernste Konsequenzen haben, warnte Habeck. "Wir haben eine Situation geschaffen, dass Deutschland ein Ölembargo tragen kann", sagte der Minister in Berlin. Das bedeute aber nicht, dass das Embargo spurlos an Deutschland vorbeigehen werde. Und das betrifft vor allem den Osten Deutschlands.

Erst am Sonntag hatte das Ministerium einen zweiten "Fortschrittsbericht" zur Abhängigkeit von russischen Rohstoffen vorgelegt. Statt ursprünglich 35 Prozent aller Rohölimporte stammten mittlerweile nur noch zwölf Prozent aus Russland, heißt es darin. Diese aber versorgten vor allem die Raffinerie in Schwedt an der Oder, die obendrein im Wesentlichen dem russischen Rosneft-Konzern gehört. Sie hängt direkt an der Druschba-Pipeline aus Russland - und sie versorgt unter anderem den Großraum Berlin.

"Dort wird es rumpelig werden", kündigte Habeck für den Fall eines sofortigen Import-Stopps an. "Wir können nicht garantieren, dass die Versorgung immer gewährleistet ist." Es werde "sicherlich hohe Preissprünge geben" oder "zeitlichen Ausfall", sagte der Minister. Aber das heiße eben nicht mehr, "dass wir als Land, als Nation in eine Ölkrise reinrutschen werden".

Robert Habeck machte auch deutlich, dass die wirtschaftlichen Folgen des Ölembargos für Russland nicht vorhersehbar seien. Denn ein Embargo könnte weltweit die Preise durch die Decke gehen lassen - und alle Öl-Exporteure, auch Russlands, würden dann davon profitieren. "Wenn Putin mehr Geld verdient, indem er weniger Öl verkauft, dann haben wir mit Zitronen gehandelt", sagte Habeck. "Beziehungsweise mit Öl gehandelt, aber in die saure Zitrone gebissen." Auch US-Finanzministerin Janet Yellen hatte zuletzt vor den Folgen eines europäischen Öl-Embargos gewarnt: Russlands Präsident Wladimir Putin könne wegen der gestiegenen Preise davon profitieren, während die Wirtschaft in Europa und dem Rest der Welt Schaden nehmen könne.

Minister Habeck traf am Montagnachmittag in Brüssel ein, wo sich die für Energiefragen zuständigen Minister der EU zu einer Sondersitzung versammelten. Dabei sollte es vor allem um die Frage gehen, wie sich europäische Solidarität bei der Gasversorgung organisieren lässt und welche Infrastruktur dafür ausgebaut werden muss. Kurzfristiger Anlass war die Entscheidung Russlands, an Polen und Bulgarien kein Gas mehr zu liefern. Andere EU-Länder haben bereits versprochen, mit nicht aus Russland stammendem Gas für Ausgleich zu sorgen.

Die polnische Ministern Anna Moskwa versicherte vor der Sitzung, ihr Land sei auf der sicheren Seite, und forderte, die Europäische Union solle diese Woche nicht nur ein Ölembargo, sondern auch gleich ein komplettes Gasembargo gegen Russland verhängen. Moskwa rief zudem die anderen EU-Länder auf, sich nicht auf ein neues, von Wladimir Putin gefordertes Zahlungsverfahren für Gas-Lieferungen in Rubel einzulassen. Auch darüber wollte die Runde beraten.

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