Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftsminister:Robert Habeck und die Grenzen der Schweinswalliebe

Der Wirtschaftsminister will den Bau von Flüssiggas-Terminals an der Küste beschleunigen. Und der Umweltschutz? Möge von Klagen absehen, rät Habeck - das helfe nur Putin.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Was Schweinswale angeht, macht Robert Habeck keiner was vor. "Ich liebe Schweinswale", sagt der grüne Bundeswirtschaftsminister. "Ich bin der größte Schweinswal-Fan in der Bundesregierung." Schließlich komme er ja auch selbst von der Küste, sagt Habeck.

Hier, an der Küste, ist Habeck auch am Donnerstag, und vielleicht haben die Schweinswale davon sogar gehört. Denn der Minister wohnt dem ersten Rammschlag für einen neuen Schiffsanleger bei, und Schweinswale haben feine, geräuschempfindliche Ohren. Und hier beginnt das Problem. Denn der Schweinswal hat noch andere Fans. Etwa Umweltverbände, allen voran die Deutsche Umwelthilfe. Die hat Widerspruch gegen den vorzeitigen Baustart in Wilhelmshaven eingelegt. "Da scheint mittlerweile eine Wild-West-Mentalität zu herrschen", sagt ihr Chef Sascha Müller-Kraenner. Natürlich müsse man am Ende verschiedene Interessen abwägen, sagt er. "Aber die Natur muss eben auch eine Rolle spielen."

Für Habeck dagegen zählt vor allem der Faktor Zeit. Bis zum Winter soll hier eine Art provisorisches Terminal für verflüssigtes Erdgas entstehen, das sogenannte LNG. Eine entsprechende Absichtserklärung hat Habeck am Donnerstag mit seinem niedersächsischen Amtskollegen Olaf Lies (SPD) geschlossen. "Sehr kurzfristig" solle mit einem schwimmenden LNG-Terminal "ein erster wichtiger Schritt in Richtung Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen" erfolgen. Weitere, auch feste Terminals sollen folgen, in Wilhelmshaven, aber auch in Stade. Dazu braucht es noch eine Reihe von Leitungen, um die Küste mit dem Binnenland zu verbinden.

"Esperanza" heißt das Schiff, zu Deutsch: Hoffnung

Der Umwelthilfe, die naturgemäß den Grünen nähersteht als anderen Parteien, gab der grüne Vizekanzler über die Sendung RTL direkt den Rat, sich nicht querzulegen. "Im Zweifelsfall bringt uns eure Klage in größere Abhängigkeit von Putin", sagte Habeck dort am Mittwochabend. "Das solltet ihr nicht tun an dieser Stelle."

Schon zuvor hatte Habeck die "Bräsigkeit" deutscher Behörden beklagt, was die Genehmigungsverfahren rund um neue Infrastrukturen angeht. Der Bund hat mehrere schwimmende LNG-Terminals gechartert - ohne, dass es die entsprechenden Häfen schon gibt. In Wilhelmshaven soll deshalb in Windeseile ein Liegeplatz samt Gasleitung für das erste der Schiffe, die Hoegh Esperanza, entstehen. Sie könnte von Ende des Jahres an jährlich rund acht Milliarden Kubikmeter Erdgas ins Netz einspeisen, knapp zehn Prozent des hiesigen Verbrauchs. Am Mittwoch ist die Esperanza (zu Deutsch: Hoffnung) im US-Bundesstaat Louisiana aufgebrochen, derzeit kreuzt sie mit 16 Knoten aus dem Golf von Mexiko heraus. Jetzt müssen nur noch die Arbeiten an Land einen Zahn zulegen, nebst den zuständigen Behörden.

Habecks Ministerium hat dazu den Entwurf für ein "Beschleunigungsgesetz" vorgelegt, es soll die Genehmigungen für alle neuen Terminals deutlich vereinfachen. Danach sollen "wegen der derzeitig bestehenden Ausnahmesituation" vor allem Vorgaben rund um die Umweltverträglichkeitsprüfung entfallen - im Rahmen dessen, was das Europarecht erlaubt. Auch Aufträge sollen sich schneller vergeben lassen. Das schnellere Verfahren, so erklärt eine Sprecherin Habecks, stehe im Einklang mit dem EU-Recht. "Dort wurde schon antizipiert, dass es Sondersituationen gibt, in denen es schneller gehen muss", sagt sie. "Und dieser Krieg wartet nicht auf uns."

Doch bei Umweltverbänden stößt der Grüne damit auf für ihn ungewohnt harschen Widerstand. "Eine Einladung zur Schlamperei zulasten der Natur" sei das, klagt Jörg-Andreas Krüger, Chef des Naturschutzbundes Nabu. Schließlich seien Nordsee und Wattenmeer "extrem sensible Ökosysteme". Und auch die Umwelthilfe will nicht lockerlassen, trotz der Warnungen des Ministers. Sie hält den Bau neuer fester Terminals ohnehin für überflüssig. "Es fehlt ein Gesamtplan, wo welches Gas herkommen soll", sagt Müller-Kraenner. Stelle sich dabei heraus, dass ein oder zwei schwimmende Terminals nötig seien, "dann werden wir ganz bestimmt nicht vor Gericht ziehen".

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