Weltwirtschaftsforum in Davos:Wenn Habeck staatstragende Dinge sagt

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Gibt ganz den Staatsmann in Davos: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. (Foto: Laurent Gillieron/dpa)

Anders als vor zwei Jahren ist der Grünen-Politiker diesmal nicht mehr der Kritiker von der Seitenlinie, sondern derjenige, der in vier, fünf Minuten Redezeit die Energiepolitik der Bundesregierung und die Reaktion auf Putins Krieg erklären muss.

Von Oliver Klasen

Robert Habeck war schon einmal Gast beim Weltwirtschaftsforum in Davos. 2020 war das, im Januar, kurz bevor die Pandemie über die Welt hereinbrach. Habeck war Grünen-Chef, er machte sich Hoffnung auf die Kanzlerkandidatur seiner Partei. In Erinnerung geblieben ist ein ZDF-Interview, in dem er sich zum Auftritt Donald Trumps äußerte. "Fassungslos wie man so etwas hier verzapfen kann (...) ein einziges Desaster (...) die schlechteste Rede, die ich je gehört habe". Habeck hatte für diese eilig hingeworfenen Sätze Kritik bekommen - etwa von der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und vom CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Die Schelte gegen den US-Präsidenten sei unangemessen, hieß es. Aber wenn solche Kritik von der Regierungspartei kommt, kann man wohl nicht alles falsch gemacht haben als aufstrebender Oppositionspolitiker.

Diesmal ist Habeck nicht der Kritiker von der Seitenlinie. Am Montagmorgen sitzt er auf einem Podium mit dem indischen Energieminister, dem Direktor der Internationalen Energieagentur und zwei Managerinnen aus der Energieindustrie. Er spricht hier als Vertreter eines der größten Industrieländer der Welt - eines Industrielandes, das sich besonders leichtsinnig in die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas begeben hat.

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In vier, fünf Minuten Redezeit die Energiepolitik der neuen Bundesregierung und die Reaktion auf Putins Krieg zu erklären, das ist jetzt seine Aufgabe. Also erklärt Habeck: "Wir wollen nicht nur von russischen fossilen Brennstoffen unabhängig werden, sondern von fossilen Brennstoffen insgesamt." Er spießt den Ruf der Deutschen auf, für die Planung komplexer Dinge sehr lange zu brauchen. "Was früher Jahrzehnte gedauert hat, machen wir jetzt in ein paar Monaten", sagt Habeck mit Blick auf neue Flüssigerdgas-Terminals. Und er lächelt auch dann noch milde in die Kamera, als gleich zwei Redner die Bedeutung der Atomenergie herausheben.

Das Weltwirtschaftsforum und die Grünen, das war immer ein distanziertes, wenn nicht sogar von Abneigung geprägtes Verhältnis. Davos, das waren die anderen, das war das Treffen der Kapitalisten. In einem Interview vor der Veranstaltung hatte Habeck an diesen Geist erinnert. Davos "gilt als Symbol für die ungebändigte Globalisierung, die die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen befeuert, Finanzkrisen den Boden bereitet und soziale Ungleichheit verschärft hat", sagte der Wirtschaftsminister.

Habeck jedoch macht sich diese Kritik nicht zu eigen. 2020 tat er es nicht, als er abseits von Trump die ehrliche Bereitschaft vieler Teilnehmer lobte, nach Lösungen für die Krise des Kapitalismus zu suchen, und 2022 tut er es nicht. Der Welthandel sei ins Stocken geraten, infolge des Krieges drohten nicht nur Inflation, Klima- und Energiekrise, sondern auch eine Hungerkatastrophe, weil Russland Weizenlieferungen aus der Ukraine blockiere. Wenn aber jedes Land sich nur noch um sich selbst kümmere, verschärfe das die Krisen. "Wir müssen die Märkte offen halten", sagt Habeck. Aber man müsse neue Regeln für die Märkte finden, damit sie zum Wohle der Menschen funktionieren. Es gehe nicht um De-Globalisierung, sondern um mehr Zusammenarbeit und Solidarität. Es ist der Satz eines Ministers, der nun in Davos zum Establishment zählt.

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