Energiekrise:Habeck hält Weiterbetrieb von Atomkraftwerken für nötig

Energiekrise: Schwerer Gang für einen Grünen: Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigte am Dienstagabend die Wende bei der Atomkraft an.

Schwerer Gang für einen Grünen: Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigte am Dienstagabend die Wende bei der Atomkraft an.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Weil Frankreichs Kernkraftwerke weniger Strom liefern könnten als gedacht, geht der Wirtschaftsminister davon aus, dass Isar 2 und Neckarwestheim bis zum Frühjahr 2023 gebraucht werden - "Stand jetzt". Umweltschützer protestieren.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die beiden süddeutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 sollen offenbar auch im ersten Quartal des nächsten Jahres am Netz bleiben. Grund ist, dass französische Atomkraftwerke im Januar und Februar kommenden Jahres wohl weniger Strom liefern können als zuletzt angenommen, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstagabend in Berlin. "Wenn sich diese Prognosen nicht ins Gegenteil verkehren, dann muss ich heute schon sagen, dass Isar 2 und Neckarwestheim im ersten Quartal '23 wohl am Netz bleiben werden", sagte Habeck. "Stand heute" halte er ihren Weiterbetrieb für nötig.

Bisher hatte Habeck jede Vorfestlegung vermieden. Erst vor gut drei Wochen hatte er einen Plan präsentiert, mit dem die beiden Atomkraftwerke nur als Notreserve vorgehalten werden sollen, und das längstens bis Mitte April nächsten Jahres. Nur im Falle von Engpässen am europäischen Strommarkt sollten sie helfen, das süddeutsche Netz zu stabilisieren. Ein drittes Kraftwerk, Emsland in Niedersachsen, soll dagegen am 31. Dezember abgeschaltet werden. Nach geltender Rechtslage läuft dann für alle deutschen Atomkraftwerke die Betriebszeit ab.

Die Betreiber von Isar 2 und Neckarwestheim 2 sollen nun alle Vorbereitungen für einen längeren Betrieb treffen. Auf entsprechende "Eckpunkte" verständigte sich Habeck am Dienstag mit den Betreiberfirmen. Im Falle von Isar 2 in Bayern bedeutet das auch, dass bis Ende Oktober eine Ventil-Leckage repariert werden muss, die erst vorige Woche öffentlich bekannt wurde. Anders als bisher geplant würde das AKW bei Landshut dann aber nicht bis Mitte April laufen, sondern "bis voraussichtlich Anfang März 2023", wie es in den Eckpunkten heißt.

Der Betreiber von Isar 2 hatte neulich noch Zweifel

Ein längerer Betrieb setze eine vier- bis sechswöchige Revision voraus und sei deshalb aus Sicht des Ministeriums "nicht sinnvoll". Der Isar-2-Betreiber Preussen Elektra hatte kürzlich erst Zweifel an der Machbarkeit des Reservebetriebs geäußert. Diese Zweifel tauchen in den Eckpunkten nun nicht mehr auf.

Zuletzt hatte vor allem die FDP den Druck auf Habeck erhöht, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern - weit über den April 2023 hinaus. FDP-Fraktionschef Christian Dürr hatte vorgeschlagen, die Entscheidung über Atom-Laufzeiten mit der über eine Gaspreisbremse zu "kombinieren". Habeck lehnt dies als "unsachgemäße Verknüpfung" ab. "Wir sollten keine Koppelgeschäfte machen", sagte er am Dienstag.

Die finale Entscheidung über den weiteren Betrieb der beiden Atomkraftwerke soll nun spätestens Anfang Dezember fallen - unter der Voraussetzung, dass die Koalition vorher die Gesetze ändert. Vor allem in der Grünen-Fraktion gibt es nach wie vor Widerstände gegen den Reservebetrieb. Auch Umweltschützer kritisierten Habecks Vorstoß. Die Bundesregierung habe zu wenig unternommen, um Energie in allen Bereichen einzusparen, sagte Umwelthilfe-Chef Sascha Müller-Kraenner. "Sie ist jetzt aber bereit, den in Jahrzehnten erreichten Atomausstieg schnell aufzukündigen." Schon aus Sicherheitsgründen solle der Bund am Ausstieg festhalten.

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