Gysi und die Stasi-Vorwürfe:Vorwürfe, Klagen und Verteidigungen

Deutliche Worte aus der Union: Vor der Aktuellen Stunde im Bundestag zu Gregor Gysis angeblichen Stasi-Verbindungen wächst die Kritik am Linke-Fraktionschef. Dieser geht mit juristischen Mitteln gegen das ZDF vor - und der Sohn des DDR-Regimekritikers Havemann würdigt Gysis Arbeit.

Im Streit über eine mögliche Stasi-Verstrickung von Linke-Fraktionschef Gregor Gysi hat die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, die Vorwürfe gegen den Politiker bekräftigt.

Gysi und die Stasi-Vorwürfe: In Bedrängnis: Gregor Gysi

In Bedrängnis: Gregor Gysi

(Foto: Foto: dpa)

"Nach unseren Unterlagen sind diese Unterlagen die zu einem IM. Und der kann nach Aktenlage nur Gregor Gysi gewesen sein", sagte sie. Das Thema wird am Nachmittag im Rahmen einer Aktuellen Stunde den Bundestag beschäftigen.

Birthler sagte, inzwischen lägen ihrer Behörde Erkenntnisse vor, dass "nach diesen Unterlagen, die jetzt vorliegen, eine wissentliche und willentliche Unterrichtung des Ministeriums für Staatssicherheit stattgefunden hat - und zwar durch Gregor Gysi über unter anderem Robert Havemann".

Sie widersprach Aussagen Gysis, die Informationen in den Akten könnten möglicherweise ohne sein Zutun durch Abhöraktionen gewonnen worden sein. Zu diesem Zeitpunkt sei die Wohnung des damaligen Regimekritikers Robert Havemann nicht elektronisch überwacht worden, sagte Birthler. "Es gibt aus diesem Zeitraum keine Überwachungsberichte. Die Unterlagen, die wir hier haben, sind ja auch überschrieben: Aus gezieltem IM-Einsatz wurde bekannt."

Gysi: Sie wollen mich fertig machen

Die Stasi-Vorwürfe gegen Gysi haben ein medienrechtliches Nachspiel. Das ZDF bestätigte in Mainz den Eingang eines "Unterlassungsbegehrens". Gysi will damit erreichen, dass Birthlers Äußerungen nicht mehr wiederholt werden. Das ZDF erklärte, das Unterlassungsbegehren werde zur Zeit geprüft. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender sagte: "Wir lassen uns durch Herrn Gysi die Freiheit einer unabhängigen Berichterstattung nicht verbieten."

Am Nachmittag wollte sich der Bundestag in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema befassen. Gysi sagte, es sei nicht zulässig, über einen einzelnen Abgeordneten eine Aktuelle Stunde abzuhalten. Seines Wissens habe auch Bundestagspräsident Norbert Lammert seiner Kritik an diesem Vorgang Ausdruck gegeben.

Gysi kritisierte die Fraktionen von Union und SPD, auf deren Veranlassung hin die Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Die Motive dafür seien einfach: "Sie sind verzweifelt über die Erfolge der Linken". Es gehe darum, ihn als Person "fertig zu machen", meinte Gysi. Auf diese Art und Weise sei er aber "nicht zu schaffen".

Birthlers Vorwürfe beziehen sich auf ein Treffen des Anwalts Gysi 1979 mit seinem damaligen Mandanten Havemann in Anwesenheit eines dritten Mannes.

Gysi hatte kürzlich seine Berufung gegen die Veröffentlichung der Dokumente darüber zurückgenommen, da sie schon längst publik seien. Gysi bestreitet die Vorwürfe Birthlers. Er habe zu keinem Zeitpunkt wissentlich und willentlich mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet.

Florian Havemann: "Gysi hat im Sinne unseres Vaters gehandelt"

Der Sohn des Regimekritikers Robert Havemann, Florian Havemann, hat die Arbeit von Gysi als Anwalt für seinen Vater in der DDR gewürdigt. "Unabhängig von der Frage, ob Herr Gysi IM war, was ich nicht beurteilen kann, hat er im Sinne unseres Vaters gehandelt", sagte Havemann der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung .

"Unser Vater wollte über Gregor Gysi eine Verbindung zur Parteiführung herstellen. Das ist ihm gelungen. Ab dem Zeitpunkt, als er Anwalt unseres Vaters war, hat es keinen Prozess mehr gegeben." Dass nun wieder Vorwürfe gegen Gysi erhoben würden, habe politische Gründe, die im Erstarken der Linken zu suchen seien, meinte Havemann.

"Gysi ist kein Einzelfall"

Der Vorsitzende des Immunitätsausschusses im Bundestag, der CDU-Abgeordnete Thomas Strobl, sieht nicht nur Gysi durch angebliche frühere Stasi-Tätigkeit diskreditiert. Der Leipziger Volkszeitung sagte Strobl: "Gysi ist - was seine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst betrifft - innerhalb der 'Linken' kein Einzelfall. Die Birthler-Behörde hat nach der letzten Bundestagswahl darauf aufmerksam gemacht, dass nach Aktenlage von den 53 Mitgliedern seiner Fraktion mindestens 7 ehemalige informelle Mitarbeiter der Staatssicherheit seien."

Strobl verwies darauf, dass der Bundestag schon früher in einem Ausschussbericht eine inoffizielle Tätigkeit Gysis für die Staatssicherheit der DDR als erwiesen festgestellt habe. Gysi, der dem Bericht zufolge seine Mandaten verraten habe und von seinem Staatssicherheitsoffizier für seine Zuverlässigkeit und hohe Einsatzbereitschaft gelobt worden sei, habe sich "durch diese Sauereien als Volksvertreter diskreditiert", sagte Strobl.

Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer hält die Datenlage für eindeutig. Er glaubt, die Aktuelle Stunde an diesem Mittwoch werde ein großer Sargnagel für das politische Ende von Gregor Gysi werden.

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