Gymnasien:Luxussorgen

Lehrer beklagen das Leistungsgefälle in den Klassen.

Von Bernd Kramer

Was macht eine gute Lehrerin aus? Sie ermutigt starke Schüler, ihren Talenten zu folgen. Und sie hilft Schwachen, über sich hinauszuwachsen. Sie macht alle klüger, und die Kluft zwischen beiden Gruppen wird kleiner.

Umso irritierender ist es, dass 95 Prozent der Gymnasiallehrer die Leistungsunterschiede in den Klassen nicht als die natürliche Herausforderung ihres Berufs sehen, sondern als Belastung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Philologenverbands, der daraus sogleich ein verkapptes Plädoyer für die ständische Elitenbildung ableitet. Man müsse, wie es der Verband ausdrückt, die "Leistungsheterogenität senken". Die Schmuddelkinder sollen bitte wieder auf die anderen Schulen gehen, so kann man das verstehen.

Besser wäre es, man lernte endlich, mit der Vielfalt umzugehen: Wie können Lernformen aussehen, in denen starke Schüler schwache unterstützen? Wie funktioniert individuelle Förderung? Das Gymnasium ist nicht mehr die Selbstreproduktionsanstalt des gehobenen Bürgertums. Es ist die neue Hauptschule geworden. Die Ironie ist, dass die Leistungsheterogenität dadurch gesunken ist, nur eben an anderer Stelle: an einigen einstigen Hauptschulen, an denen sich die Probleme so sehr konzentrieren, dass kaum Unterricht möglich ist. Die Gymnasiallehrer plagen dagegen eher Luxussorgen.

© SZ vom 10.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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