Guttenberg-Affäre:Verhasster Enthüller

Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano brachte Guttenbergs Plagiatsaffäre ins Rollen. Die Ereignisse überrollten auch ihn: Der Jurist fühlt sich beobachtet - und wird mit Hassmails überschüttet.

Roland Preuß

Andreas Fischer-Lescano ist der große Unbekannte geblieben. Er hat in den zwei Wochen ein paar Zeitungsinterviews gegeben, die mit einem alten Porträtfoto garniert wurden, die ARD durfte ihn entfernt auf einer Brücke filmen. Mehr gibt es nicht. Das ist nicht viel für die Schlüsselfigur der Guttenberg-Affäre, ohne die Plagiatsfunde des Bremer Juraprofessors wäre der ehemalige Verteidigungsminister noch im Amt. Es reicht allerdings, ihn zum Zentrum von Verschwörungstheorien zu machen, die ihn als linken Denunzianten darstellen, der den beliebtesten Politiker des Landes zu Fall gebracht hat. Der Titel als meistgehasster Professor ist ihm sicher. "Hoffentlich läufst Du Arsch mal vors Auto", heißt es in einer der Hunderten Hassmails an ihn.

Guttenberg-Affäre: Berlin, Feburar 2011, Andreas Fischer-Lescano, Rechtswissenschaftler und Professor an der Universität Bremen, deckte die Mängel an Karl-Theodor zu Guttenbergs Dissertation auf.

Berlin, Feburar 2011, Andreas Fischer-Lescano, Rechtswissenschaftler und Professor an der Universität Bremen, deckte die Mängel an Karl-Theodor zu Guttenbergs Dissertation auf.

(Foto: Regina Schmeken)

Die Geschichte des Professors ist die eines Enthüllers, der mit seinem Fund fremdelt, der zwar die Türe geöffnet hat zu einem Reich von Täuschung und Lüge, aber lieber am Eingang verharrt, um sich nicht in diesem Reich zu verirren.

Fischer-Lescano wehrt sich nicht gegen das Etikett "linker Professor". Sogar sein Wohnort passt dazu: das Sarrazin'sche Schreckviertel, Berlin-Neukölln. Er lebt gern dort. An der Ecke kostet der Gemüsekebab 1 Euro 50, die Haustüren sind verschmiert mit Edding-Hieroglyphen. Oben serviert der Herr Professor Jogi-Tee in bunten Streifenschälchen. Es tue ihm leid, dass er keine Kekse habe, sagt er. "Schreiben Sie ja nicht, dass ich ein schlechter Gastgeber bin." Eigentlich hat Fischer-Lescano andere Probleme, der große Mann in Jeans und Pullover sieht müde aus, die Augenringe jedenfalls sind für einen 38-Jährigen zu dunkel. Er hat viel erklären müssen die vergangenen zwei Wochen: Warum nimmt sich ein Professor jetzt eine Dissertation aus dem Jahr 2009 vor? Warum hat er sie auf Plagiate geprüft? Und kann es Zufall sein, dass ausgerechnet ein Linker diese Entdeckung macht?

Fischer-Lescano kennt die Vorwürfe. Er lehnt sich auf seinem weißen Holzstuhl nach vorne, schaut links am Gegenüber vorbei, dann kommen die Worte schleppend, aber präzise. "Das Thema Verfassung und ihre Bedeutung jenseits des Staates beschäftigen mich seit Beginn meiner Dissertation 2001." Er habe Guttenbergs Promotion über die Verfassungsentwicklung in der EU und den USA aus "wissenschaftlichem Interesse" zur Hand genommen, hatte Fischer-Lescano der SZ nach seiner Entdeckung gesagt.

Die Liste seiner Veröffentlichungen zeigt zumindest, dass die Arbeit in sein Fachgebiet fällt. In diesem Semester bot er ein Seminar zu "Verfassungen jenseits des Nationalstaates" an. Dass Professoren vom Fach Plagiate entdecken, ist durchaus üblich, das zeigen Gerichtsurteile. Die Forscher kennen die einschlägigen Texte am besten. Fischer-Lescano räumt ein, dass er vorhatte, Guttenbergs Arbeit in einer Rezension zu zerpflücken. "Ich wollte Gegenthesen zu seinem konservativen Verfassungsdenken entwickeln." Die Arbeit erschien ihm inhaltlich schwach und sprunghaft im Stil.

Unter Beobachtung

Plagiatskontrolle ist an seiner Fakultät durchaus ein Thema, größere Hausarbeiten müssen als Computerdatei eingereicht werden, damit der Text leichter überprüft werden kann. "Wenn ich den Erwischten null Punkte gebe, brechen manche Studenten in Tränen aus", sagt Fischer-Lescano. Eine Bremer Studentenvertreterin beschreibt den Juraprofessor als "hart, aber fair". Die Stellen, an denen sich Guttenberg aus Presseartikeln bedient hatte, ließen bei Fischer-Lescano den Verdacht aufkommen, er habe eigene Reden verhackstückt. Besonders seicht empfand er die Passage, wo Guttenberg einen Text der NZZ am Sonntag übernommen hat. Er gab deshalb einen Halbsatz in die Google-Suche ein. Am Ende hatte er neun solcher Textstellen.

Die Affäre nahm ihren Anfang. Seither ist der Jurist unter Beobachtung. Unbekannte forderten seine Bücher und Aufsätze an, eine Journalistin fragte seinen Studienfreund aus, ob es Verbindungen zu Parteien oder Polit-Organisationen gibt, der Sprecher des Verteidigungsministeriums machte darauf aufmerksam, dass er Vertrauensdozent der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ist. Eine gezielte Schmutzkampagne ließe die ganze Affäre in anderem Licht erscheinen. Doch es fand sich nur die Bestätigung dafür, dass der Professor politisch links steht: Er beteiligt sich am "Institut solidarische Moderne", das Hessens frühere SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti mitgegründet hat. "Aus der SPD bin ich schon nach dem Asylkompromiss 1992 ausgetreten", sagt er.

Fischer-Lescano hätte seine Entdeckung dazu nutzen können, groß rauszukommen, sich einen Namen zu machen als bekanntester Juraprofessor oder Enthüller. Die Anne-Will-Redaktion hat ihn angefragt, genauso wie Johannes B. Kerner und Thomas Gottschalk für seine geplante Sendung Menschen 2011. Er hat allen abgesagt. "Es wäre mir unangenehm, in Talkshows zu gehen, man kann das Problem dort nicht erhellen."

Das lässt sich leichter verstehen nach einem Blick in seine jüngste Erklärung zur Affäre, eine Kritik an der Universität Bayreuth. Dort würden "Errungenschaften des Rechtsstaates . . . durch soziale Netzwerke kurzgeschlossen." Das zündet nicht bei Anne Will. Wäre er trotzdem in den Ring gestiegen, so hätte sich die Debatte stark um seine Person gedreht und weniger um die Plagiatsvorwürfe an den Minister. Das wollte der Professor nicht.

Ob er stolz ist? Nein, sagt Fischer-Lescano, weder auf die Entdeckung noch auf den Rücktritt. Immerhin, das Wort macht ihn lebendig. Er löst die Umarmung mit seinem Holzstuhl und springt hinüber zur Bücherwand, um eine dicke Festschrift für seinen Habilvater und einen dünneren Band mit einem seiner Texte zu präsentieren. "Das ist mir viel wichtiger." Jetzt schreibe er an einem Buch zu sozialen und globalen Rechten. "Ich möchte meine Arbeit machen und diese Guttenberg-Sache abhaken." Um Geld für diese Arbeit zu bekommen, Drittmittel von Stiftungen oder Unternehmen, sei der Ruf als linker Guttenbergjäger eher hinderlich.

Seine Bremer Sekretärin hat gerade ein paar ausgesuchte Hassmails weitergeleitet, "es gibt ja wohl kaum ein größeres Dreckschwein - Pfui Teufel", heißt es da. Fischer-Lescano lacht. Inzwischen bekommt er auch mal Entschuldigungen für solche Mails.

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