Süddeutsche Zeitung

Guttenbergs in Afghanistan:Truppenbild mit Dame

Neue Pirouetten im "Paarlauf fürs Kanzleramt": Karl-Theodor zu Guttenberg reist mit Ehefrau und Talkmaster ins Kriegsgebiet und treibt seine Selbstinszenierung auf die Spitze.

Lena Jakat

Die Weste sitzt, der Blick, staatstragend und nachdenklich, klebt am Horizont, an den Gipfeln des Hindukusch. Wieder besucht Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die deutschen Truppen in Afghanistan, man kennt das ja. Es ist schließlich bereits das siebte Mal seit seinem Amtsantritt, dass Guttenberg dorthin reist. Und wieder gibt es diese Bilder von Deutschlands beliebtestem Politiker: Er ganz der professionelle Kriegsbesucher, vom dunklen Parka bis zur Lässigkeit, mit der er den Stahlhelm in der Hand trägt.

Und doch ist etwas diesmal anders an den Bildern: Guttenberg ist nicht allein. Neben ihm steht seine Frau Stephanie, ebenfalls in dunklem Anorak und Schutzweste und auch nach dem unbequemen Flug in der Transall völlig unzerzaust. Es ist das erste Mal, dass ein Verteidigungsminister in Begleitung seiner Ehefrau ins Kriegsgebiet reist.

"Es war ihr eigener Wunsch, und es war ein Wunsch, der immer wieder aus der Truppe geäußert wurde", sagt der Verteidigungsminister bei einem Zwischenstopp in Masar-i-Scharif. Sie sagte, sie habe ihren Mann schon immer auf eine seiner Reisen nach Afghanistan begleiten wollen. Das sei kein spaßiger Ausflug, sie sei sich der Sicherheitslage am Hindukusch wohl bewusst, wolle sich davon jedoch nicht abhalten lassen, der Truppe "als Bürger dieses Landes Danke zu sagen".

Im Feldlager von Kundus will sich Frau Guttenberg vor allem um die 132 weiblichen Soldaten kümmern, sich "ein Bild vom Einsatz machen". Dank der Zeitverschiebung quetschen sich die ersten Bilder der Reise zur besten Redaktionszeit am Montagvormittag durch die Datenkabel. Sie zeigen eine lachende, interessierte Ministergattin, die sich von einer langhaarigen Soldatin durch das Lager führen und mit lächelnden Männern in Tarnfleck ablichten lässt.

Doch kaum sind die Bilder in Deutschland, werden im Netz erste kritische Stimmen laut, die fragen: Warum muss der deutsche Steuerzahler nicht nur für die Reisekosten des umtriebigen Ministers, sondern auch noch für das Ticket seiner Frau aufkommen? Solchen Vorwürfen ist Deutschlands Super-Paar jedoch zuvorgekommen: Die Anreise habe die Ministergattin selbst bezahlt, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Dass sie mitreise, bedeutete keinen Mehraufwand.

Die Soldaten lächeln mit

Und auch der Minister sieht sich offenbar ein wenig unter Rechtfertigungsdruck: Es gebe eine lange Tradition, dass sich die Frauen der Verteidigungsminister für die Truppe engagierten, sagt Guttenberg in Masar-i-Scharif.

Auch der damalige Bundespräsident Horst Köhler nahm im Mai 2010 seine Frau mit nach Afghanistan. Doch sie gab ein völlig anderes Bild ab als Frau Guttenberg: An der Seite ihres Mannes war sie auf dem ordentlich gekiesten Innenhof eines Lagers zu sehen, statt in Schutzweste im hellgrauen Hosenanzug. Frau Köhler stand steif herum, blickte skeptisch drein und schien sich insgesamt eher unwohl zu fühlen. Frau Guttenberg setzt sich dagegen mit ihrer karierten Flanellbluse neben die Soldaten zum Essen, lächelt, und die Soldaten lächeln mit. Der Besuch des Ehepaars Guttenbergs schreibt in seiner inszenierten Herrlichkeit einen Kulturbruch fort, den der Freiherr schon mit seiner ersten Reise in das Kriegsgebiet eingeleitet hat.

Ein weiterer Beleg dafür, dass die Inszenierung von Politik mit Guttenberg eine neue Stufe erreicht, ist ein Mitglied aus dem Medien-Tross: Johannes B. Kerner. Der Sat-1-Talker, den Medienmagazine schon als Verlierer des Jahres abstempelten, ist mit nach Afghanistan geflogen, um dort eine Talkshow aufzuzeichnen. Die Idee stammt laut Verteidigungsministerium vom Sender, doch die Vermutung liegt nahe, dass die Redaktion den Verteidigungsminister nicht lange drängen musste. Beide Seiten profitieren von dem Deal: Kerner kann auf hohe Einschaltquoten hoffen, Guttenberg auf noch mehr schöne Bilder aus einem Land mit unschöner Zukunft.

"Am Abbild der Wirklichkeit wird herumgebastelt, wenn sich die Wirklichkeit selbst nicht korrigieren lässt", schrieb einmal die Zeit. Was die Guttenbergs in Afghanistan betreiben, ist symbolische Politik wie aus dem Lehrbuch: Politisches Handeln, dass allein auf die Wirkung von Symbolen - und Bildern - setzt. Das bietet sich vor allem dann an, wenn es gilt, über fehlende Erfolge hinwegzutäuschen.

Der erste umfassende Bericht zur Lage in Afghanistan, den die Bundesregierung just am Tag des Guttenberg-Besuchs offiziell vorlegen will, offenbart eklatante Mängel in Präsident Hamid Karsais Staatsführung: Korruption, manipulierte Wahlen. Und er stellt erneut fest, dass der Konflikt in Afghanistan nicht mit militärischen Mitteln zu gewinnen ist.

Dass daraus der Eindruck politischer Ohnmacht, von unzureichendem politischen Handeln des Westens und auch Deutschlands entstehen könnte, dem wirken die Bilder der Guttenbergs entgegen. Ein gutaussehendes Ehepaar umringt von lachenden Soldaten statt Bomben und Selbstmordattentäter.

"Es ist wichtig, dass man gerade in der Weihnachtszeit jenen Anerkennung und Unterstützung gibt, die Tausende Kilometer von der Heimat entfernt einen harten Dienst absolvieren", sagt Guttenberg bei seinem Besuch. Die Bilder davon - so viel muss man dem Minister zugestehen - sorgen wohl nicht nur zu Hause für einen guten Eindruck, sondern dürften auch die Stimmung bei den Soldaten vor Ort heben.

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