Guttenberg und die Affäre Jung:Der Aufräumer

Verteidigungsminister Guttenberg nutzt die Affäre um seinen Vorgänger Jung und setzt sich als starker Mann in Szene. Doch er weiß, dass er einen Job auf dem Schleudersitz übernommen hat.

Peter Blechschmidt

Die ersten Wochen seiner Amtszeit hätte sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sicher weniger turbulent vorstellen können. Gute Noten für markige Interview-Äußerungen ("In Afghanistan herrschen kriegsähnliche Zustände"), schöne Fotos von der ersten Reise zur Truppe in Afghanistan, Bella Figura als Neben-Außenminister beim Antrittsbesuch in Washington - der 37-Jährige erweist sich auch in seinem neuen Amt als Senkrechtstarter.

Guttenberg und die Affäre Jung: Zeigen, wer das Sagen hat: Verteidigungsminister Guttenberg entließ Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert, weil sie ihm Informationen vorenthalten hätten. Nun kann er sein Ministerium neu ordnen.

Zeigen, wer das Sagen hat: Verteidigungsminister Guttenberg entließ Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert, weil sie ihm Informationen vorenthalten hätten. Nun kann er sein Ministerium neu ordnen.

(Foto: Foto: dpa)

Und dann kommt der Mittwoch dieser Woche. Redakteure der Bild-Zeitung legen dem Minister einen 69 Seiten starken Untersuchungsbericht der deutschen Militärpolizei (Feldjäger) zum Luftangriff auf zwei Tanklaster in Kundus am 4. September vor. Den hat Guttenberg bis dahin nach eigenem Bekunden nicht gesehen. Am Ende des Tags hat Guttenberg seinen beamteten Staatssekretär Peter Wichert und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan gefeuert. Begründung: Die Vertrauensbasis sei "erheblich beschädigt".

Sein eigentliches Problem ist damit aber nicht gelöst. Am 6. November, neun Tage nach seinem Amtsantritt, gab Guttenberg eine Pressekonferenz zum Luftschlag von Kundus. Anlass war ein Treffen mit den Obleuten des Verteidigungsausschusses, die der Minister über den offiziellen, streng geheim gehaltenen Untersuchungsbericht der Nato zu dem Vorfall unterrichtet hatte. Dabei erklärte Guttenberg, es habe zwar vor der Bombardierung Verfahrensfehler gegeben, aber der Luftschlag sei trotzdem angemessen gewesen. "Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hätte es zum Luftschlag kommen müssen."

Das "müssen" dreht die Schraube der Entschuldigungen für den deutschen Oberst Georg Klein, der den Luftschlag angeordnet hatte, noch einen Tick weiter. Schneiderhan hatte eine Woche zuvor lediglich erklärt, er habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass deutsche Soldaten "in operativer Hinsicht angemessen gehandelt haben". Es war der Versuch Schneiderhans, dem Kameraden, der in einer schwierigen Situation eine verhängnisvolle Entscheidung getroffen hatte, moralische Unterstützung zu geben, ohne gleichzeitig - in Kenntnis aller Fakten - zuzugeben, dass Klein objektiv einen Fehler begangen hatte.

Die forsche Äußerung wird Guttenberg jetzt von der Opposition als völlig überzogen vorgehalten. Was Guttenberg dazu veranlasst hat, wurde an jenem 6.November nicht eindeutig klar. Seine Einschätzung beruhe auf dem damaligen "Gesamtbedrohungshintergrund", sagte Guttenberg seinerzeit. Heute erklärt der Minister, er habe zu diesem Zeitpunkt nur den Nato-Bericht gekannt, nicht aber den Bericht der deutschen Feldjäger.

Job auf dem Schleudersitz

Nach einer Sitzung des Verteidigungsausschusses am Freitag sagte Guttenberg, der Nato-Bericht allein sei für ihn nun keine ausreichende Basis mehr für sein Urteil. Ihm seien Informationen vorenthalten worden, die für die politische Einschätzung wichtig gewesen seien. Insgesamt gebe es neben dem Feldjäger-Bericht noch neun weitere "Einschätzungen" zu dem Vorfall. Mit den zusätzlichen Informationen biete sich ein viel breiteres Bild der Vorgänge, sodass er zu einer Neubewertung kommen werde. In mindestens fünf dieser Berichte ist nach Angaben von Ausschussmitgliedern auch von zivilen Opfern die Rede.

Dass Wichert und Schneiderhan ihm diese Unterlagen vorenthalten haben, war für Guttenberg nach seinen eigenen Worten der Anlass, die beiden zu entlassen. Im Ausschuss sagte Guttenberg nach Berichten von Teilnehmern, der Staatssekretär und der General hätten seine Frage verneint, ob es noch andere Dokumente gebe als den Nato-Bericht.

Kenner der Ministeriums vermuten, dass Wichert und Schneiderhan den Feldjäger-Bericht schlicht für nicht relevant gehalten haben, da er ja der Nato zugeleitet worden war und angeblich auch in den Nato-Bericht eingeflossen ist. Dies ist allerdings, soweit bekannt, aus dem Nato-Bericht nicht ersichtlich. Jedenfalls ist der Feldjäger-Bericht nach Informationen der SZ nicht in den 500 Seiten Anlagen zu dem Nato-Bericht enthalten.

Dass Guttenberg den Job auf dem Schleudersitz an der Spitze des Verteidigungsministeriums gleich mit der Entlassung zweier anerkanntermaßen verdienter Spitzenleute beginnen würde, hätte er sich wohl nicht träumen lassen. Gleichwohl zeigt dieser Schritt, dass der junge Minister entschlossen ist, diesem schwierigen Ressort zu zeigen, wer das Sagen hat.

Wichert galt stets als der eigentliche Herr im Haus, der entschied, was sein Minister wissen musste und was nicht. Auch Schneiderhan war selbstbewusst genug, Dinge für sich zu behalten. Umgekehrt war es unter Jung auch so, dass beide manchmal wochenlang auf einen Termin bei ihrem Minister warten mussten. "Die unzureichende Art der Informationsverteilung ist das Kernproblem in dem Ministerium", sagt ein Insider. Jetzt hat Guttenberg seiner Truppe signalisiert, dass er damit aufräumen will.

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