Guttenberg spricht vor Bundestag:Der Messias tritt ans Pult

"Betrüger" und "Lügner" nennt ihn die Opposition. Aber auch in den Fraktionen von Union und FDP brodelt es heftig. Am Nachmittag muss der Verteidigungsminister vor dem Bundestag Rede und Antwort stehen.

Thorsten Denkler, Berlin

Karl Theodor zu Guttenberg stürmt mit einigen Mitarbeitern aus der Fraktionssitzung von CDU und CSU im Bundestag. Es ist gegen halb sechs am frühen Dienstagabend. Da sind kaum noch Kamerateams und Reporter vor Ort. Am Aufzug aber muss er warten. Ein verbliebenes Fernsehteam wagt sich vor auf zwei Meter Abstand, Kamera und Mikrophon auf den Verteidigungsminister gerichtet. "Herr zu Guttenberg?", mehr sagt der Reporter nicht. Guttenberg steht mit dem Rücken zu ihm, dreht sich dann halb zu dem Reporter um, schaut ihn an und schüttelt den Kopf. "Nein", sagt er, dreht sich zurück und verwindet im Fahrstuhl.

Es ist die einzige verbriefet öffentliche Äußerung an diesem Tag. Bis auf ein paar dürre Sätze am vergangenen Freitag hat er sich in Berlin bisher mit keiner Silbe zu den Plagiatsvorwürfen um seine Doktorarbeit eingelassen.

An diesem Mittwoch aber wird er wohl reden. Im Bundestag ist am Nachmittag eine Aktuelle Stunde angesetzt, in der es ausschließlich um Guttenbergs Abschreibkünste gehen soll. (sueddeutsche.de wird live ab 15.30 Uhr berichten).

Guttenberg wollte wohl zunächst nicht selbst ans Pult treten, wird aus der Fraktion kolportiert, er habe ja bereits alles dazu gesagt am Montagabend. Da sprach er auf einer Wahlkampf-Veranstaltung in der hessischen Provinz, weitab von diesen "Hauptstadtjournalisten", wie er unter dem Applaus hunderter Anhänger verkündete.

Er habe, sagte Guttenberg dort, in seiner Doktorarbeit "gravierende Fehler" gemacht, dabei aber nur "möglicherweise" und nur "an der ein oder anderen Stelle", na ja, vielleicht auch "an der ein oder anderen Stelle zuviel" den "Überblick über die Quellen verloren". Das sei aber natürlich "nicht bewusst" geschehen. Weshalb er seinen Doktortitel jetzt nicht mehr führen wolle.

Das klingt alles butterweich. Ein bisschen den Überblick verloren, geschlampert halt. Damit soll jetzt bitte alles gut sein. Der Sünder tut Buße. Aber alles gesagt? Das dann wohl doch nicht.

"Das war sein letzter Schuss"

Norbert Lammert, Bundestagspräsident und CDU-Politiker, warf ein, dass das Recht an der Verwertung von gutachterlichen Stellungnahmen des wissenschaftlichen Dienstes keineswegs an den Abgeordneten übergehe. Wenn der es weiter verwerten wolle, bedürfe dies einer förmlichen Genehmigung.

Guttenberg verzichtet auf Führung des Doktortitels

Verteidigungsminister Guttenberg verzichtet auf seinen Doktorgrad. Sind damit alle Fragen beantwortet?

(Foto: dpa)

In der Unions-Fraktion wird derweil die Sprachregelung ausgegeben, dass das in Hessen ein "Befreiungsschlag" von Guttenberg gewesen sei. Und so wiederholt es auch nahezu jeder Unions-Politiker, der am Dienstag auf die Plagiatsaffäre angesprochen wird. Geschlossenheit ist ein hohes Gut - vor allem in der Union.

Wenn aber die Kameras aus sind und die Blöcke in den Taschen, dann berichtet der ein oder andere doch von seinen Zweifeln, die er inzwischen an der Integrität des Verteidigungsministers hat. Es gibt ja noch mehr als die Plagiate, was sauer aufstößt. Diese Art, einfachste Sachverhalte völlig verschwurbelt wiederzugeben. Die Selbstherrlichkeit, mit der er auch den eigenen Leuten manches Mal vor den Kopf gestoßen hat. Und, dass er sich nun so an die Bild-Zeitung kettet. Das alles gefällt manchem aus der Koalition nicht. Nur den Rücktritt, den will keiner. Das hat einen simplen Grund: 70 Prozent Zustimmung für Guttenberg nach aktuellsten Umfrage. In der öffentlichen Wahrnehmung ist der Plagiator immer noch ein Superheld.

Es ein erstaunliches Phänomen. Seit die Süddeutsche Zeitung aufgedeckt hat, dass Guttenberg Teile seiner Doktorarbeit abgeschrieben hat ohne die Quellen zu nennen, tauchen täglich neue Textstellen auf, wo der smarte Verteidigungsminister offensichtlich abgekupfert hat. Die Opposition nennt ihn "Lügner" und "Betrüger". Spitznamen wie "Xerox-Minister" werden ihm angeheftet, nach der bekannten Kopierer-Marke. Manche witzeln, dass es eine größere Leistung sei, in Guttenbergs Doktorarbeit drei zusammenhängende Seiten zu finden, in denen er sich nicht einfach woanders bedient hat, als die abgepinnten Stellen zu finden.

Und doch sind Guttenbergs Zustimmungswerte glänzend. Guttenberg bleibt unangreifbar. "Der kann sich hinstellen und sagen: 'Wer ist euer Messias? Ich bin euer Messias'", sagt einer, der zur Koalition gehört. Und ein Messias wird nicht einfach gefeuert.

Später am Abend. Medientreff der FDP-Bundestagsfraktion im Berliner In-Club "40seconds" mit grandiosem Blick über den Potsdamer Platz. Kaum ein Gespräch, in dem es nicht um den Fall Guttenberg gehen würde. Wer offizielles hören will, bekommt die gleichen Geschlossenheitsphrasen wie bei der Union geliefert. Aber auch hier brodelt es.

Es fallen harsche Sätze. Der Tenor: Jeder andere hätte längst seinen Hut nehmen müssen. "Aber mittlerweile entscheidet ja die Straße nicht mehr die Vernunft", sagt eine Abgeordnete. Andere halten ihm "Betrug" und "Täuschung" vor. Der ist "falsch", erregt sich einer. Ein weiterer geht davon aus: "Das war sein letzter Schuss. Mehr kann man dem nicht durchgehen lassen." Niemand will sich mit Namen irgendwo wiedergegeben finden. Das könnte die Koalition als Ganzes gefährden.

Guttenberg, davon gehen alle in der Koalition aus, wird im Amt bleiben. Nicht zuletzt übrigens, weil die SPD Guttenberg zu Hilfe gekommen ist. Deren Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier fordert inzwischen den Rückritt von Guttenberg. Grüne und Linke sind ziemlich erbost darüber. Selbst wenn er wollte, jetzt muss Guttenberg im Amt bleiben, sagen sie. Schon allein deshalb, um der SPD nicht die Genugtuung zu geben, dass ihre Forderung erfüllt worden ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: