Guttenberg: Rücktritt und politische Zukunft:"Guttenberg wird zurückkehren"

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sueddeutsche.de: Manchen Politikern, die in der Vergangenheit hingeworfen haben, attestieren Sie einen "hohen Realitätsverlust" kurz vor ihrem Rücktritt. Sehen Sie hierfür auch bei Guttenberg Anhaltspunkte?

Guttenberg tritt zurück

Hat sein Amt abgegeben: Karl-Theodor zu Guttenberg

(Foto: dpa)

Philipp: Ja. Sein Verhalten zeigt einen ganz ausgeprägten, geradezu grotesken Realitätsverlust - weil er sich selbst für unangreifbar hält und sein Handeln in keiner Weise mit geltenden Normen abgleicht. So ist er beispielsweise in seiner Rücktrittserklärung unter anderem nicht darauf eingegangen, dass es sich bei seiner Dissertation um ein Kompilat von Texten anderer Autoren handelt - ursprünglicher Gegenstand des Skandals.

sueddeutsche.de: Er spricht aber von Fehlern.

Philipp: Hier handelt es sich jedoch nicht um einen Fehler im Sinn eines Missgeschicks oder eines Ausrutschers, sondern um planmäßiges, über Monate andauerndes Handeln, das gegen das wissenschaftliche Ethos verstößt. Es ist erstaunlich, dass zu Guttenberg lange glaubte, er könnte weiter im Amt bleiben. Schon mancher Politiker hat die Tragweite der gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht abschätzen können, etwa Hans Filbinger, der 1978 erst nach monatelangen dramatischen Diskussionen über seinen Umgang mit seiner NS-Vergangenheit zurücktreten musste oder der bayerische Ministerpräsident Max Streibl, der versucht hatte, seine Vorteilserschleichungen in der "Amigo-Affäre" herunterzuspielen.

sueddeutsche.de: Was sagt der Guttenberg-Rücktritt über die politische Kultur in Deutschland aus?

Philipp: Der Fall Guttenberg zeigt, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten überhaupt nichts geändert hat: Die Politiker klammern sich an ihr Amt solange es irgendwie geht. Diese Tendenz gibt es seit Jahrzehnten. Dass Politiker freiwillig gehen, wie beispielsweise Ole von Beust im vergangenen Jahr, bleibt die Ausnahme.

sueddeutsche.de: Seit Jahrzehnten ist auch zu beobachten, dass zurückgetretene Politiker einige Zeit später wiedereingestiegen sind. Schon kurz nach Guttenbergs Erklärung gab es in der Union Stimmen, die sich eine Rückkehr Guttenbergs wünschten. Wie bewerten Sie seine Comeback-Chancen?

Philipp: Ich habe viele Lebensläufe von Politikern untersucht. Sofern sie in die Politik zurückwollten, haben sie das geschafft - etwa Gregor Gysi oder Cem Özdemir, die 2002 ihre politischen Ämter nach einem Skandal um Bonusmeilen niederlegten und längst wieder an herausragender Stelle aktiv sind. Ausnahmen gibt es nur, wenn Leute zu alt sind. Wer mit 60 plus zurücktritt, wird kaum noch ein Ministeramt bekleiden. Guttenberg ist keine 40 Jahre alt. Auch deshalb bin ich mir sicher, dass er schon bald eine landespolitische Rolle spielen und später wieder in die Bundespolitik zurückkehren wird.

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