Guttenberg: Plagiatsaffäre:Wenn einen die warme Wolke nicht mehr trägt

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Guttenberg verharrt in einem Fehlermuster, das schon manche Politiker das Amt gekostet hat. Doch nicht zuletzt die Kanzlerin kann kein Interesse an einem Rücktritt des Polit-Stars haben.

Kurt Kister

Karl-Theodor zu Guttenberg bewegt sich nicht mehr auf dünnem Eis. Er ist spätestens am Freitag eingebrochen. Resümiert man das, was bis Sonntagabend in Berlin zu hören war, dann hat der Minister mittlerweile wohl selbst eingesehen, dass sein Auftritt nicht der Entschärfung der Situation diente, sondern dass er - unter starkem Druck, ungeschickt und/oder trotzig - Öl ins Feuer goss. Er denkt offenbar daran zurückzutreten.

Für Guttenberg selbst bedeutete dies den Abschied von der großen Politik. Für die Union wäre es ein empfindlicher Rückschlag in einem Wahljahr, an dessen Ende sich die politischen Gewichte in Deutschland verschoben haben werden.

Für die Regierung von Angela Merkel schließlich hätte solch ein Abgang gravierende Folgen. Die CSU verlöre weiter an Gewicht in Berlin. Dies würde die Regierung erheblich destabilisieren.

Außerdem blickt 2011 auch noch Guido Westerwelle in den Abgrund - sollte die FDP bei einigen der Landtagswahlen abstürzen. Die CSU geschwächt und düpiert, die FDP in Angst vor der Fünf-Prozent-Hürde und mutmaßlich mit einem neuen Parteichef, die CDU ganz und gar durchmerkelt mit dem Hauptzweck, die Festung Kanzleramt nicht vor einem Sturm, sondern vor der gnadenlos nagenden Erosion zu bewahren.

Die Kanzlerin kann kein Interesse an einem Rücktritt Guttenbergs haben. Und sollte der dennoch unausweichlich werden, dann wird Merkel den Zeitpunkt bestimmen wollen, weil sie sonst als eine Kanzlerin dasteht, die von ihren Hintersassen regiert wird. Allerdings hat der Minister Guttenberg sich mit der kontrafaktischen Verteidigung seiner Dissertation in eine Lage manövriert, aus der er nur noch dann vielleicht herauskommt, wenn er endlich ehrlich über die Entstehung dieser Arbeit spricht.

Guttenberg verharrt bisher in jenem Fehlermuster, das schon manchen Politikern, unter ihnen so prominenten wie Richard Nixon, das Amt gekostet hat: Er gibt nicht zu, was offensichtlich ist und gerät durch die stetige Verteidigung der Verteidigung immer tiefer in die Bredouille. Dadurch gewinnt Fehlverhalten aus der Vergangenheit - die unsaubere Abfassung einer Dissertation - in der Gegenwart eine gefährliche, politisch lebensgefährliche Bedeutung.

Fast ist es ein Treppenwitz, dass der Mann, der als großer Kommunikator gilt, wegen seines täppischen Umgangs mit der Öffentlichkeit ins Schleudern gerät. In so einer Situation sind es heute nicht mehr nur die klassischen Medien, die, fast immer als Erste, berichten, kommentieren und durchaus auch mal polemisieren, sondern die große Netzgemeinde, die jeden digital auffindbaren Fehler zigfach verbreitet. Dies setzt auch einen Mann wie Guttenberg, ganz zu schweigen von seiner Familie, unter schwersten Druck.

Wenn Öffentlichkeit einen Politiker nach oben trägt, ist sie wie eine warme Wolke. Sie kann aber auch unversehens zum Drachen werden, der den vermeintlichen Liebling verschlingt.

© SZ vom 21.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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