Guttenberg in USA:Ihr Auftritt, Herr Neben-Außenminister!

Der bessere Westerwelle: Bei Guttenbergs Antrittsbesuch in Washington werden seine Ambitionen in der internationalen Politik deutlicher denn je.

P. Blechschmidt

Die Gespräche "auf dem Hill" seien an diesem Tag zu kurz gekommen, bedauert Karl-Theodor zu Guttenberg. Polit-Novizen und Touristen sprechen vom "Kongress", wenn sie das US-Parlament meinen; allenfalls wissen sie, dass das Parlamentsgebäude Kapitol heißt und auf dem Capitol Hill steht.

Guttenberg in USA: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: Alte Bekannte in Washington nenen in einfach nur "Käi-Tieh".

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: Alte Bekannte in Washington nenen in einfach nur "Käi-Tieh".

(Foto: Foto: AP)

Experten aber treffen sich zum politischen Gespräch "auf dem Hill", und wenn einer Experte in Sachen Außenpolitik ist, dann Karl-Theodor zu Guttenberg, der neue deutsche Verteidigungsminister.

Wenn es dazu noch eines Beweises bedurft hätte, hätte der Minister ihn mit seiner Blitzreise nach Washington und Halifax am Donnerstag und Freitag dieser Woche erbracht. Elegant im Auftritt, sattelfest in den Themen und mit viel Kondition absolvierte der CSU-Politiker seinen Antrittsbesuch in Washington, an den sich ein sicherheitspolitischer Kongress im kanadischen Halifax anschloss. Spätestens jetzt ist klar: Deutschland hat einen Neben-Außenminister.

Offizieller Außenminister konnte Guttenberg nicht werden; dieses Amt hatte FDP-Chef Guido Westerwelle schon reserviert. Und nachdem die FDP auch das Wirtschaftsministerium bekommen hatte, musste für den bis dahin amtierenden Ressortchef Guttenberg eine andere Verwendung her.

Der gelernte und, wie er selbst sagt, leidenschaftliche Außenpolitiker, entschied sich für das Ressort, das neben dem Auswärtigen Amt am meisten mit internationaler Politik zu tun hat: das Verteidigungsministerium.

So gesehen ist Westerwelle selbst schuld, dass er nun an seinem Kabinettskollegen aus dem Bendler-Block gemessen wird. In einem seiner ersten Interviews antwortete Guttenberg auf die Frage, ob Westerwelle eine Neben-Außenpolitik aus dem Verteidigungsressort befürchten müsse: "Er kann darauf hoffen, dass wir in dieser Regierung Komplementärstrukturen schaffen, wo alle Teile vom jeweils anderen etwas verstehen."

In Washington findet sich Westerwelle in einer Hase-und-Igel-Situation: Zwar war er schon zwei Wochen vor Guttenberg zum Antrittsbesuch in den USA, aber das ist auch der einzige Vorsprung, den er vor dem CSU-Mann hat. Guttenberg, das wurde in dieser Woche überdeutlich, ist für die US-Administration der Star des deutschen Kabinetts.

Einfach nur "Käi-Tieh"

Seit Jahren pflegt er Kontakte in Washington zu Leuten, die er als junge Talente in den Washingtoner Denkfabriken kennengelernt hat. Für sie, die inzwischen in wichtigen Funktionen sitzen, ist Guttenberg einfach "Käi-Tieh", wie die Amerikaner das Namenskürzel KT aussprechen. Natürlich will sich keiner an "Karl-Theodor" die Zunge brechen, vor allem aber bedeutet "Käi-Tieh": Man kennt sich, man vertraut einander.

Bei Präsident Obamas Sicherheitsberater James Jones und bei seinem Amtskollegen Robert Gates standen Guttenberg am Donnerstag die Türen offen. Um das außenpolitisch relevante Spektrum abzurunden, kam noch ein Termin bei Vize-Außenminister James Steinberg hinzu. An ein Treffen mit dem einstigen republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain schloss sich eine Begegnung mit dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Senat, Carl Levin, an.

Fast alle Gespräche dauerten länger als geplant. Man hat sich etwas zu sagen, und Guttenberg sagt es in perfektem Englisch mit amerikanischem Einschlag.

Zum Vortrag vor dem "Center for Strategic and International Studies" kommen so viele Zuhörer wie sonst nie. Die Fragerunde wird von der Moderatorin mit einer Anleihe bei der Baseball-Terminologie eingeleitet. Guttenberg, dessen innere Uhr zu diesem Zeitpunkt bei 21 Uhr steht, stellt erstmal lässig fest: Es sei ja immer schwierig für Deutsche, mit diesen Begriffen aus dem in Europa weitgehend unbekannten Sport umzugehen. Um dann über Kriterien für einen Abzug aus Afghanistan zu dozieren. Auch die Antwort auf eine Frage zu den Nato-Beitrittschancen von Montenegro kann ihn nicht aus dem Konzept bringen.

Meister des Vagen

Genüsslich spielt Guttenberg mit seinem Außenpolitiker-Image. Mal spricht er von den Verteidigungs- und Außenministern, um dann, sorry, das Begriffspaar in die protokollarisch richtige Reihenfolge zu bringen: Außen- und Verteidigungsminister, natürlich.

Dann äußert er die Hoffnung, dass er nicht schon wieder erläutern muss, was die von der FDP in den Koalitionsvertrag eingebrachte Forderung nach Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland zu bedeuten habe. Das habe ja wohl der Kollege Westerwelle schon hinreichend erklärt, dass dies nicht einseitig, sondern nur im Bündnis-Konsens geschehen könne.

Leider hat man es in Washington trotzdem noch nicht begriffen, und so muss Guttenberg es doch noch mal erklären. Und darauf hinweisen, dass man auch die Folgen bedenken müsse: Was wäre denn, wenn ein Nato-Partner im Osten - er meint Polen, ohne es zu nennen, jenes Land, dem Westerwelle demonstrativ seinen ersten offiziellen Besuch abgestattet hat - die Waffen bei sich stationieren wollte? Das wäre wohl auch nicht im Nato-Interesse.

Neben-Außenpolitik? Da setzt Guttenberg, jetzt ganz CSU-Schlitzohr, die Unschuldsmiene auf und sagt, man werde sich ja wohl im Regierungsteam noch ergänzen dürfen. Der Freiherr belieben zu scherzen. So richtig sitzen die Pointen allerdings nicht immer. Etwa, wenn er auf Englisch sagt, bis vor kurzem habe er mit "General Motors" zu tun gehabt, jetzt gehe er mit "generals and real motors" um. Da rätselt das Publikum, was er mit "real motors" meint.

Meister des Vagen

Den Autoriesen GM habe er ja wohl nicht dahingehend beleidigen wollen, dass der keine richtigen Motoren bauen könne. Man einigt sich darauf, dass der Minister wohl an großkalibrige Antriebsaggregate wie einen Panzermotor gedacht habe.

So geht es dem Publikum nicht selten. Man hört Guttenberg zu und ist beeindruckt. Dann fragt man sich, was hat er eigentlich konkret gesagt hat und reibt sich die Augen. Ob zu Afghanistan, zur neuen Nato-Strategie oder zum Militär-Airbus A400M, Guttenberg ist ein Meister des Vagen.

Dabei verspricht er bei jeder Gelegenheit Klartext. Aber vielleicht funktioniert Außenpolitik genau so. Immerhin: Viel reden ohne etwas zu sagen, das kann Westerwelle auch. In dieser Beziehung agiert er mit Guttenberg auf Augenhöhe. Ansonsten aber darf sich Westerwelle noch auf einiges gefasst machen. Er werde künftig öfter in Washington sein, kündigt der Verteidigungsminister an - und freut sich. Der "Hill" lässt grüßen.

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