Guttenberg:Der Neuling flirtet mit dem Gegner

Der neue Wirtschaftsminister zieht sich bei seiner Antrittsrede geschickt aus der Affäre und baut viele Brücken zur FDP. Bei Michael Glos trägt er aber zu dick auf.

Bernd Oswald

Selten hat die Berufung eines Bundeswirtschaftsministers für so viel Aufsehen gesorgt wie die des Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg. Er ist der Shooting-Star der CSU. Das hätten viele diesem Mann nicht zugetraut: innerhalb weniger Monate vom einfachen Bundestagsabgeordneten zum Generalsekretär und dann zum Berliner Kabinettsmitglied - und das mit 37!

Guttenberg: Der neue Wirtschaftsminister führt sich in den Bundestag ein: "Ich habe dieses Amt übernommen in einer Krise, wie sie Deutschland noch nie erlebt hat"

Der neue Wirtschaftsminister führt sich in den Bundestag ein: "Ich habe dieses Amt übernommen in einer Krise, wie sie Deutschland noch nie erlebt hat"

(Foto: Foto: ddp)

Kritiker fragen nach seiner wirtschaftspolitischen Kompetenz. Er war Anwalt in New York, hat sich ein bisschen um die Vermögensverwaltung der Familie gekümmert und sich außenpolitisch profiliert.

Und dann steht der adlige Minister am Freitagmorgen mit einem hellgrauen Anzug im Deutschen Bundestag, hat Premiere als Horst Seehofers Spree-Gesandter - und zieht sich in einer Viertelstunde geschickt aus der Affäre: Er lässt sich nicht dazu verleiten, Details des durchaus streitbaren Konjunkturpaketes zu erörtern. "Noch nie wurde so schnell, so konsequent und so entschlossen auf eine Krise reagiert", ist das Konkreteste, was Guttenberg zur staatlichen 50-Milliarden-Konjunkturspritze sagt.

Stattdessen hält der Neuling in Angela Merkels Runde eine sehr grundsätzliche Rede, gibt ein Plädoyer zur sozialen Marktwirtschaft ab und lobt das große Vorbild Ludwig Erhard. Er redet frei, schaut nur ab und an auf Spickzettel.

Ungeliebtes Konjunkturpaket

"Ich habe dieses Amt übernommen in einer Krise, wie sie Deutschland noch nie erlebt hat", beginnt Guttenberg, "wir haben eine sehr harte Wirtschaftskrise, die aber keine Systemkrise ist". Mit der sozialen Marktwirtschaft à la Erhard sei Deutschland zur weltweit mitführenden Wirtschaftsnation aufgestiegen, die Leitplanken der sozialen Marktwirtschaft dürften "nicht panisch abgerissen" werden.

Eigentlich gefällt dem Christsozialen aus Franken das Konjunkturpaket gar nicht. Es ist ihm viel zu viel Staat darin. Das wird zwischen den Zeilen seiner Rede mehr als deutlich: Die Staatsverschuldung steige immens, es gebe bereits Staatsbeteiligungen bei privaten Banken, und nun stehe auch noch das Wort von der Enteignung im Raum.

Wie sehr er gerade diese Maßnahme verabscheut, dokumentiert Guttenberg in der schönen Wortschöpfung der "ultissima ratio". Finanzminister Peer Steinbrück, der bisher den Macher in der Krise gab, dürfte angesichts der Drechseleien des ambitionierten Kollegen aufhorchen.

Weil Guttenberg nun in die Berliner Kabinettsdisziplin eingebunden ist, muss er das Paket trotzdem rechtfertigen, wenn er es schon nicht lobt. Die Menschen dürften erwarten, dass der Staat eingreife, wenn die "Selbstheilungskräfte des Marktes" nicht mehr funktionierten, weil "sich einige am Marktsystem versündigt haben", befindet der Oberfranke.

Blumen für die FDP

Sogleich richtet Guttenberg aber den Blick nach vorn. Für ihn ist Steinbrücks und Merkels Konjunkturpaket eine Episode: "Wenn die Maßnahmen wirken, müssen erweiterte Grenzen aber auch wieder zurückgenommen werden."

Der Neuling flirtet mit dem Gegner

Für den Wirtschaftsminister, der schon an die Bundestagswahl im Herbst denkt, ist klar: Zu viel Staat behindert private Initiative und Investitionen und schadet dem Wettbewerb. Den Arbeitsmarkt will er nicht "durch weitere Regulierungen strangulieren", sagt er, ganz der prinzipienfeste Ordnungspolitiker. Freihandel wiederum dürfe kein Schimpfwort sein.

Das muss Musik in den Ohren der FDP gewesen sein. Guttenberg setzt noch einen drauf, als er sich direkt an FDP-Chef Guido Westerwelle wendet und von der Notwendigkeit von Steuersenkungen in der nächsten Legislaturperiode spricht - das fordern die Liberalen seit Jahren. Im Prinzip macht der Neuling der CDU-CSU-SPD-Koalition hier unverhohlen eine Koalitionsaussage. Sein wahrer Chef Seehofer hat sich bereits vor Wochen entsprechend festgelegt.

Lob für Glos erheitert das Plenum

Rhetorisch ist Guttenberg zwar noch kein Guido Westerwelle, er spricht aber klar und flüssig, bisweilen sogar schlagfertig (wenn er Zwischenrufe der Linken kontern darf). Mit Sicherheit ist er ein ungleich besserer Redner als sein Vorgänger Michael Glos, dem die Sätze doch stockend über die Lippen kamen.

Als Guttenberg auf den alten Parteifreund zu sprechen kommt, wird es im Plenum laut. "Michael Glos hat sich entschlossen, beherzt und mit Tatkraft für dieses Land eingesetzt", lobt der Nachfolger. Es sei "unbegreiflich, mit welchem Stil manche mit einem umgehen, der sich um das Land verdient gemacht hat", setzt er nach.

Da hat er ein bisschen zu dick aufgetragen. Immerhin hat der große Seehofer selbst oft über den Müllermeister gelästet, und auch in der Unionsfraktion gab es einigen Unmut über Glos' blasse Amtsführung. Umso größer das Gelächter auf den Oppositionsbänken, als Guttenberg so nett kondoliert. "Ach, Kinders", kontert Guttenberg.

Nach seinem Auftritt gratuliert ihm der Linkspartei-Politiker Gregor Gysi. Dann schreitet der Edelmann auch schon schnell auf seinem Platz auf der Regierungsbank. Es kommt die Kanzlerin, lächelt und sagt ein paar freundliche Worte.

An diesem Minister wird sie noch ihre helle Freude haben.

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