Guttenberg: Biographie:Als der Hofhund den Papagei fraß

Adel verpflichtet: In der ersten Biographie über Karl-Theodor zu Guttenberg verklärt die Autorin Anna von Bayern ihren Freund "KT". Königliche Hoheit begründet dessen Erfolg mit seiner Abstammung. Was passierte nicht alles bei Hofe!

Wolfgang Jaschensky

Angela Merkel, seit fünf Jahren Kanzlerin, hat schon mehrere. Guido Westerwelle auch, der ist schließlich schon ewig FDP-Chef. Horst Seehofer hat aber noch keine, und Markus Söder, die CSU-Hoffnung aus Franken, erst recht nicht. Das wiederum dürfte Karl-Theodor zu Guttenberg freuen.

USA-Reise zu Guttenberg - New York

"Da hätte ich eher eingreifen müssen", habe sich Guttenbergs junger persönlicher Referent geärgert, schreibt von Bayern. Aber eine kleine PR-Panne wie hier am New Yorker Times Square kann ja auch einem bescheidenen Baron mal passieren.

(Foto: dpa)

Der adelige Shooting-Star hat jetzt das, was einen Politiker von Rang auszeichnet: eine Biographie. Karl-Theodor zu Guttenberg - Aristokrat, Politstar, Minister heißt das erste Betrachtungswerk über den CSU-Mann und aktuellen Verteidigungsminister.

Für einen Politiker ist eine Biographie als Statussymbol ungefähr so wichtig wie für einen russischen Oligarchen die 60-Meter-Yacht. Guttenbergs Statussymbol liegt nun in Buchhandlungen und signalisiert: Der Freiherr, der hat's geschafft. Und das mit 38!

Doch hinter dem Umschlag verbirgt sich weniger eine Biographie als vielmehr eine Heldensaga aus der politischen Neuzeit. Erzählt werden Anekdoten und Anekdötchen über Karl-Theodor zu Guttenberg, der elegant und formvollendet seinen Baron steht - egal, wie unmöglich das Unterfangen erscheint, egal, wie widrig die Umstände und wie übermächtig die Gegner sind.

Hanebüchener als die Glorifizierung des beliebten Ministers ist allerdings die Erklärung, die die Autorin für den Erfolg des Politikers liefert: Guttenbergs aristokratische Abstammung. Die These kommt aus berufener Feder: Die Biographin nennt sich Anna von Bayern.

Adelsrechtlich steht sie weit über dem Verteidigungsminister. Der ist ein schnöder Freiherr, die Bild-am-Sonntag-Redakteurin entstammt hingegen der fürstlichen Familie von Sayn-Wittgenstein-Berleburg und trägt seit ihrer Heirat mit Prinz Manuel den Titel Prinzessin von Bayern. Wer Anna von Bayern korrekt ansprechen möchte, nennt sie "Königliche Hoheit", erklärt die Protokollchefin des Hauses Wittelsbach.

Königliche Hoheit schreibt also über Niederadel. Ihre steile These streut Anna von Bayern über das gesamte Buch: "Guttenberg ist ein Aufsteiger von oben", heißt es da zum Beispiel. Seine Souveränität beziehe er aus seinem familiären Hintergrund, Status und Vermögen empfinde er nicht als Inhalt, sondern als Verpflichtung. Er sei vorher schon was gewesen und werde es nachher wieder sein.

Als Gipfel der aristokratischen Überlegenheit präsentiert Ihre Königliche Hoheit das alte Credo "Adel verpflichtet" - und übersetzt es für den bürgerlichen Laien mit: "Das, wofür du stehst, ist größer und wichtiger als du und dein Leben." So viel Schloss-Weisheit wird den Citoyens dieser Welt als Teil der Guttenberg'schen DNS gereicht.

91 Jahre nach Abschaffung der Adelsprivilegien erfährt der bürgerliche Leser nun also, dass auf die Dienste der Prinzen, Grafen und Barone der Republik viel zu lange verzichtet wurde. Wann hat eine Prinzessin die angebliche Überlegenheit der Aristokratie zuletzt mit so viel Chuzpe präsentiert? In der Französischen Revolution wurde man schon für geringere Vergehen geköpft.

Exklusive Einblicke

Anna von Bayern garniert ihre Thesen mit exklusiven Einblicken in Guttenbergs fränkische Stadl: In der Biographie erzählt sie von den festen Wurzeln Guttenbergs in seiner oberfränkischen Heimat, den Werten, der Disziplin, der Erziehung ("Bei Tisch wird angemessene Kleidung erwartet, Turnschuhe sind tabu"). Für den Vater des Zöglings, den Stardirigenten Enoch zu Guttenberg, seien Spitzenleistungen so selbstverständlich, dass er sie kaum noch als solche sehen mag, weiß Anna von Bayern zu berichten.

Da die Prinzessin mit Guttenberg und dessen Frau befreundet ist, plaudert sie auch Exklusives aus dem Privatleben der Familie aus. Zum Beispiel, dass der kleine KT als Elfjähriger zu Weihnachten einen grünen Papageien geschenkt bekam, den später der Familienhund fraß. Oder über die erste Begegnung des Ehepaars Guttenberg auf einer Party während der Love Parade ("Er hält sie für ein Partygirl, und Partymenschen schätzt er nicht sonderlich").

Sobald das Buch sich mit der Politik beschäftigt, endet aber die Exklusivität. Die Autorin räumt offen ein, mit Guttenberg für die Biographie nicht einmal eigens gesprochen zu haben.

Die Heldengeschichten aus dem Hause von Bayern folgen immer wieder demselben Schema: Erst wird in großer Ausführlichkeit die ungeheuerliche Größe des Problems dargestellt, dahinter dann lange Sätze und Taten Guttenbergs montiert, die sein Rückgrat, seinen Fleiß, seine Energie oder sein Redetalent belegen sollen, bis der Leser am Ende vergessen hat, was das ursprüngliche Problem überhaupt war.

Beispiel Guttenberg und die Opel-Krise: "Rational betrachtet ist die Aufgabe, die Guttenberg mit dem Wirtschaftsministerium übernimmt, geradezu aberwitzig groß", eröffnet Anna von Bayern das entsprechende Kapitel.

Ganz schön heftig. Geht aber noch schlimmer: "Das Land erlebt die größte Wirtschaftskrise seit 60 Jahren. Die Grundfesten der Ökonomie sind ins Wanken geraten." Es ist die Rede von "tickenden Zeitbomben", "extremen Schieflagen" und "täglich neuen Hiobsbotschaften", Schlagwörter wie Hypo Real Estate, Island und General Motors verschwimmen zu einem apokalyptischen Bedrohungsszenario - und der tapfere KT mit seiner Papageien-Erfahrung mittendrin. Ein Himmelfahrtskommando! Und für den Fall, dass irgendein Leser das bis jetzt nicht begriffen haben sollte, lässt Prinzessin den Wirtschaftsweisen Bert Rürup im O-Ton sagen: "Der neue Wirtschaftsminister übernimmt ein politisches Himmelfahrtskommando."

Und wie sah das der Minister? "Auch Guttenberg gesteht ein, dass die Lage ernst ist. Doch er hält nichts von Panikmache", schreibt Anna von Bayern. Dann bläst sie den Nukleus von Guttenbergs Erfolgsgeschichte, seinen Widerstand gegen staatliche Garantien für Opel, zu einer einzigartigen politischen Glanzleistung auf. Der Text folgt Guttenberg zu Verhandlungen in die USA und zu Krisensitzungen ins Kanzleramt und lässt Regierung und Gewerkschaften, die sich für die Übernahme von Opel durch Magna starkmachen, wie marktwirtschaftliche Idioten aussehen.

Unerwähnt lässt Anna von Bayern, dass die Opel-Mutter General Motors den deutschen Autobauer schließlich weder verkauft noch in die Insolvenz geschickt hat, dass also Guttenbergs Engagement für Opel realwirtschaftlich wenig mehr als Theaterdonner war.

Bemerkenswert ist auch die Gewichtung der Guttenberg'schen Vita in dem Buch: Den neun Monaten, in denen KT erst zum Wirtschaftsminister und dann zum beliebtesten Politiker des Landes aufsteigt, widmet Anna von Bayern fünf Kapitel und 108 Seiten. Guttenbergs Zeit als weniger glückreicher Verteidigungsminister und sein miserables Krisenmanagement in der Kundus-Affäre werden in einem Kapitel auf 18 Seiten verwurstet.

Hat Anna von Bayern ihrem Freund KT einen Gefallen getan? Wenn Guttenberg nur ansatzweise so vernünftig und intelligent ist, wie in seiner ersten Biographie dargestellt, dann wird er sich wohl insgeheim eine etwas ausgewogenere Darstellung seiner Karriere wünschen.

Was bleibt ist das Statussymbol in den Bücherregalen. Aber auf solch bürgerliche Begehrlichkeiten legen Barone angeblich ja keinen Wert.

Anna von Bayern: Karl-Theodor zu Guttenberg. Aristokrat, Politstar, Minister. Köln 2010, Fackelträger-Verlag. 19,95 Euro.

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