Gutachten zum Atomausstieg:Zehn Jahre fürs Abschalten

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Noch ist es nur ein erster Entwurf, doch der ist ziemlich detailliert: Die Ethik-Kommission tüftelt an einem "Gemeinschaftswerk" zum Atomausstieg. Hält die Kommission Kernkraft für ethisch verantwortbar? Und: Wie schnell geht der Ausstieg? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Michael Bauchmüller

Das Papier, so jedenfalls steht es ganz klein oben links in der Ecke, ist erst mal nur ein "living document" . Noch lässt sich also vieles an den Schlussfolgerungen der Ethikkommission ändern, noch liegt nur ein erster Entwurf vor. Der aber ist in großen Teilen schon ziemlich detailliert, obwohl der Kommission noch gut zwei Wochen für ihre Empfehlungen bleiben. Schon warnt der Chef der Kommission, Klaus Töpfer, davor, den Entwurf überzubewerten. "Aus Daffke", allerdings sei er nicht geschrieben worden, sagte er der SZ. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen.

Anti-Atom-Protest vor dem Pannenreaktor Krümmel: In dem Entwurf der Ethikkommission sollen acht der 17 Reaktoren schon in diesem Jahr abgeschaltet werden, darunter der schleswig-holsteinische Meiler. (Foto: dpa)

Hält die Kommission die Atomkraft für ethisch verantwortbar?

In ihrem Entwurf unterscheidet die Kommission zwischen zwei Positionen. Demnach ist die Atomkraft einerseits schon durch die bloße Möglichkeit eines GAUs nicht zu verantworten. Wägt man dieses Risiko, andererseits, gegen andere Gefahren der Energieerzeugung, auch gegen die Wahrscheinlichkeit eines Atomunfalls, lässt sie sich ethisch rechtfertigen. Allerdings lasse sich auch in diesem Falle "begründen, dass Atomkraftwerke durch risikoärmere Methoden der Energieerzeugung ersetzt werden sollten". Hier liegt die Brücke zwischen den Positionen: Die Auffassung der Kommission, dass dieser Umbau in Deutschland machbar sei, soll einen Konsens ermöglichen. Und den strebt die Kommission an.

Wie schnell geht der Ausstieg?

Ein Zeitraum von zehn Jahren sei realistisch, heißt es im Entwurf. Das letzte Kernkraftwerk ginge damit im Jahr 2021 vom Netz. Allerdings sollen acht der 17 Reaktoren schon in diesem Jahr abgeschaltet werden. Dabei handelt es sich um die sieben Alt-Reaktoren, die unmittelbar nach der Reaktorkatastrophe in Japan für drei Monate abgeschaltet wurden, sowie den schleswig-holsteinischen Pannenreaktor Krümmel. Die restlichen neun könnten schon vor 2021 vom Netz gehen, wenn die Lage es zulässt.

Wer entscheidet darüber?

Im Entwurf ist von zwei Instanzen die Rede. So soll es einen "Parlamentarischen Beauftragten für die Energiewende" geben, nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten. Er soll regelmäßig überprüfen, ob die Ablösung der Atomkraft im Plan ist. Mindestens einmal im Jahr soll er einen "Energiewende-Bericht" vorlegen. Darüber wiederum soll unter anderem das "Nationale Forum Energiewende" beratschlagen, eine Plattform für die öffentliche Debatte. Pendants dazu kann es auch in Kommunen und Regionen geben. Nicht umsonst ist in dem Entwurf immer wieder vom "Gemeinschaftswerk" die Rede, das zu stemmen sei. Es gelte die "schädliche und vergiftete Atmosphäre" zu beseitigen, die der Streit über die Kernkraft geschaffen habe.

Was kommt nach der Atomenergie?

Einerseits sollen die Deutschen künftig effizienter mit Energie umgehen, andererseits schneller die erneuerbaren Energien nutzen. So könnten neue Finanzierungsmodelle helfen, Hausbesitzer zur Sanierung ihrer Gebäude zu bewegen; Städte könnten dazu übergehen, Großsiedlungen zu sanieren. Die Kommission empfiehlt ein "Erneuerungsprogramm für Haushaltsgeräte" ebenso wie eine intelligentere Nutzung von Strom: Stärker als bisher könnte sich die Nachfrage nach dem Angebot richten.

Szenarien für die Energiewende
:Wie schnell ist der Atomausstieg möglich?

Die Energiewende muss kommen, darüber sind sich alle Parteien einig - die Frage ist nur: Wann? Während Greenpeace 2015 als Ausstiegs-Termin für machbar hält, wollen die Befürworter die Abschaltung bis 2050 hinauszögern. Vier Termin-Vorschläge.

Bei den erneuerbaren Energien legt der Entwurf großes Gewicht auf die Solarenergie. Diese könne schon "in wenigen Jahren" wirtschaftlich sein. Andere Teile des Kapitels fehlen noch. Klar sei allerdings, dass es sich um einen langen Prozess handele, der geplant werden müsse. "Nur mit einem Prozessgedanken ist eine anspruchsvolle, gesellschaftliche Transformation möglich."

Was wird aus fossilen Kraftwerken?

Kohle und Gas sollen "die Sicherheit einer dauerhaft zur Verfügung stehenden Stromversorgung" gewährleisten. Vor allem Gaskraftwerke seien dazu nötig, wenn möglich solche, die auch Wärme für Siedlungen oder Betriebe bereitstellen. Kohlekraftwerke verteufelt die Kommission nicht, ungeachtet höherer Kohlendioxid-Emissionen. Allerdings müssten alte, ineffiziente Kohlekraftwerke irgendwann abgeschaltet werden.

Welche Rolle spielt die Endlagerung?

Für die Kommission liegt in der Entsorgung des Atommülls die "größte ethische Verpflichtung". Der Abfall solle möglichst rückholbar gelagert werden, sollten sich dereinst bessere Lösungen finden als die Lagerung in der Tiefe. Für das geplante Endlager in Gorleben wäre dies das Aus: Atommüll aus einem Salzstock zu bergen, ist auf Dauer kaum machbar.

Und was passiert jetzt?

Am Wochenende tritt die Kommission zur Klausur auf Schloss Genshagen bei Berlin zusammen. Dort will sie den Entwurf beraten. Am Montag soll die Reaktorsicherheitskommission die Ergebnisse ihrer Prüfung vorlegen; sie untersuchte mögliche Gefahrenquellen im deutschen Reaktorpark. Ursprünglich sollte diese Prüfung Grundlage für die Arbeit der Ethik-Kommission sein. So lange aber, sagt Töpfer, habe man nicht warten können. Schließlich muss die Ethik-Kommission schon Ende Mai das Endergebnis ihrer Arbeit vorlegen. Von den bisherigen Beratungen aber, so sagte ein Mitglied der 17-köpfigen Kommission, sei der Entwurf ohnehin nicht weit entfernt.

© SZ vom 12.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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