Die Integration von Zuwanderern in Deutschland ist viel besser gelungen als weithin angenommen. Dies ist das Ergebnis eines Gutachtens des unabhängigen Sachverständigenrates für Integration und Migration (SVR), das am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. "Deutschland ist angekommen in der Einwanderungsgesellschaft", sagte der Vorsitzende des Rates, der Osnabrücker Professor Klaus Bade.
Es ließen sich teils "erhebliche Fortschritte" verzeichnen, von einer allgemein "gescheiterten Integration" könne keine Rede sein. Besonders bemerkenswert sind die Ergebnisse zum Vertrauensverhältnis von Migranten und Einheimischen. "Zuwanderer vertrauen den Deutschen zum Teil mehr als der eigenen Herkunftsgruppe", sagte Bade. Allerdings gebe es nach wie vor einige Missstände zu beheben, etwa die schlechte Bildung vieler Migranten.
Das 250 Seiten dicke Gutachten ist die umfangreichste Untersuchung zum Thema seit Jahren. Die Wissenschaftler hatten hierfür 5600 Bürger repräsentativ befragt, oft durch Interviewer, die Russisch und Türkisch sprechen. Der Sachverständigenrat wird getragen von acht Stiftungen, ihm gehören neun Wissenschaftler an, unter ihnen der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar.
Anders als bisherige Studien haben die Wissenschaftler Zuwanderer - mit und ohne deutschen Pass - sowie Einheimische nicht nur nach ihrer sozialen Lage gefragt, sondern auch danach, inwieweit sie sich gegenseitig vertrauen und was sie von der Integrationspolitik der vergangenen Jahre halten. Etwa 54 Prozent der einheimischen Deutschen sagten, sie vertrauten anderen Einheimischen "eher" oder "voll und ganz"; Zuwanderer dagegen sprachen den Einheimischen dieses Vertrauen zu fast zwei Dritteln (62 Prozent) aus. Die Integrationspolitik der vergangenen fünf Jahre wird sowohl von Einheimischen als auch von Zuwanderern als überwiegend nützlich angesehen, wobei die Türken am wenigsten eine Verbesserung wahrnehmen. Auch die politischen Prioritäten setzen beide Gruppen ähnlich: Am häufigsten wurden als die Hauptaufgaben genannt "Arbeitslosigkeit senken", "Sprachkurse anbieten" und "Diskriminierung bekämpfen"; fast 80 Prozent der Zuwanderer war es - ähnlich wie der deutschen Mehrheit - wichtig, die "Ausländerkriminalität zu senken".
Die Zuwanderer berichten von weitgehend guten Erfahrungen. 70 Prozent der Migranten glauben, dass die alteingesessenen Deutschen ernsthaft an der Eingliederung der Einwanderer interessiert sind, die breite Mehrheit betonte, sie fühlten sich in Deutschland wohl oder "sehr wohl". Überraschend selten beklagten die Zuwanderer eine Benachteiligung, zwei Drittel von ihnen hatten noch nie Diskriminierung erfahren - was dem Eindruck widerspricht, den Migrantenverbände oder auch türkische Medien oft vermitteln. Am ehesten negativ aufgefallen sind Behörden und Schulen.
Die Studie bescheinigt Deutschland eine international vergleichsweise erfolgreiche Eingliederung: Zwar sei die Arbeitslosigkeit unter Zuwanderern in Deutschland mehr als eineinhalb mal so hoch wie unter einheimischen Deutschen; in anderen europäischen Ländern seien Migranten aber bis zu viermal so oft arbeitslos. Auch hier gebe es Fortschritte: Die Nachkommen der Zugewanderten haben häufiger eine Arbeit als ihre Eltern und sind deshalb seltener auf Hilfe angewiesen. Die Autoren der Studie wenden sich daher gegen ein "deutsches Jammern auf hohem Niveau".
Auch in den Schulen machen Zuwanderer-Kinder Fortschritte, sie schaffen häufiger das Abitur und brechen seltener die Schule ab als früher (siehe Grafik). Allerdings illustrieren die Wissenschaftler einmal mehr Mängel in der Bildung. Gerade bei den weithin als Problemgruppe wahrgenommenen Türkischstämmigen zeigten sich Defizite, die nicht allein mit Armut, sozialer Herkunft oder dem muslimischen Glauben zu erklären seien. Hier sei mehr Einsatz der Eltern für Bildung nötig, sagte Bade der SZ. "Die Türken bilden nach wie vor die Nachhut, sie bewegen sich langsam vorwärts, aber sie bewegen sich."
Ernüchternd sind die Ergebnisse zu den mit großem politischem Wirbel inszenierten Spitzentreffen wie Islamkonferenz und Integrationsgipfel. Sie gingen an der breiten Mehrheit der Zuwanderer ungehört vorbei. Nach Einschätzung Bades zeigen die Ergebnisse, dass Alltagserfahrungen, etwa in Ämtern, mit Nachbarn oder Lehrern das Integrationsklima viel stärker beeinflussen als politische Debatten. "Die Leute sind sehr viel gelöster, als wir uns das vorgestellt haben."
Als Fazit der Studie fordert der Sachverständigenrat, vor allem mehr für die Bildung von Migranten zu tun. Zudem müsse das Land für mehr Fachkräfte aus dem Ausland geöffnet werden.