Gut so, schlecht so (5):Die gerettete Ehre des Ministers Guttenberg

Eben noch Held, jetzt ein Verlierer der Mediengesellschaft: So wirkt Wirtschaftsminister Guttenberg. Doch das ist ein Irrtum. Die Kolumne zum Medienwahlkampf.

Hans-Jürgen Jakobs

Platz sechs ist für einen Anfänger nicht schlecht in der Hitparade beliebter Spitzenpolitiker. Karl-Theodor zu Guttenberg hat dieses Treppchen im aktuellen Spiegel erreicht.

Guttenberg, ddp

Grüßaugust mit guten Chancen in der Medienwelt von heute: Wirtschaftsminister Guttenberg.

(Foto: Foto: ddp)

Danach wünschen sich 60 Prozent der befragten Deutschen, der Bundeswirtschaftsminister möge künftig doch eine wichtige Rolle spielen. Nur den Herrn Bundespräsident, die Kanzlerin sowie die Ministerkollegen Ursula von der Leyen, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier hat er vor sich.

Anhand solcher Ranglisten wird im Wahlkampf Politikerfolg abgelesen - und Politik gemacht. Die Daten der Marktforscher weisen darauf hin, dass der erst seit gut drei Monaten amtierende Guttenberg einen Katapultstart hingelegt hat und seinen Freunden in der CSU damit Hoffnung macht, er tauge zur Wahlkampfrakete.

Nun befürchten einige den "Kirchhof-Effekt", und das ist das Schlimmste, was einem im Medienwahlkampf 2009 passieren kann. Der einstige Verfassungsrichter Paul Kirchhof war 2005 im Schattenkabinett der damals unerschrockenen Angela Merkel als Streiter für ein besseres Steuersystem aufgetreten - und landete bald als "Professor aus Heidelberg" im Panoptikum der Politik. Altkanzler Gerhard Schröder machte so billig Punkte. Jetzt spricht er vom "Baron aus Bayern", wenn er den aktuellen Wirtschaftsminister meint.

Auch Karl-Theodor zu Guttenberg sieht seit Samstagmorgen, 2.10 Uhr, kirchhofmäßig gerupft aus - das ging so schnell, wie er aufgestiegen war. Am gleichen Tag, an dem die für ihn so positive Spiegel-Statistik erschien, ist in der Realität ein ganz anderer Wirtschaftsminister zusehen: mit geschlossenen Augen, frustriert, fast ein wenig ängstlich.

Er ist jemand, der in dieser Nacht im Kanzleramt den Kampf um die Vernunft verloren hat, um eine Plan-Insolvenz beim verlustreichen Rüsselsheimer Autobauer Opel, dessen Konzernmutter General Motors eine solche Insolvenz bald erleben wird.

Seine Argumente wurden in der Koalition weggewischt angesichts der Sorge um Arbeitsplätze und Wählerstimmen. Also bekam eine windige russisch-kanadisch-österreichische Investorengruppe unter Führung der Firma Magna den Vorzug, bestückt mit vielen öffentlichen Milliarden.

Lesen Sie auf Seite 2, wo Guttenberg versagt hat - und warum er trotzdem als Sieger aus dem Drama um Opel hervorgehen könnte.

Kleines Scheitern, totale Thriumphe

Da mochte der gute Guttenberg noch so vor unkontrollierbaren Risiken warnen und sogar mit Rücktritt drohen - es setzte sich der in die Kameras grienende SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier mit dem Votum für Magna durch.

Die Mediengesellschaft ist noch schnelllebiger als der Turbo-Kapitalismus. Die Leute hatten sich eben gewöhnt an den allzeit dynamischen CSU-Minister, der auf dem New Yorker Times Square herumturnt wie auf dem Dach der Welt, der mit den Großen der Welt spricht und unentwegt für die deutsche Wirtschaft im Einsatz ist. Er ist einer, der auf der Homepage seines Ministeriums per Videobotschaft locker den Grüßaugust gibt und der mit den Spielregeln der Kommunikationswelt so bestens vertraut zu sein scheint.

Ritter vor den Windmühlen

Aber schon sein Auftritt in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner", 30 Stunden vor der "Dramanacht" (Bild am Sonntag) im Kanzleramt, ließ eine gewisse Verunsicherung spüren. Die Runde dominierten der FC-Bayern-Manager Uli Hoeneß und Oskar Lafontaine. Guttenberg lümmelte zuweilen genauso aufreizend lässig-teilnahmslos auf seinem Stuhl herum wie der neben ihm platzierte Bestseller-Autor Richard David Precht, und kam kaum dazu, einen ministeriellen Satz zu Ende zu formulieren.

Quasi für ihn sprach der Stern-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges - der warnte, Guttenberg werden von Steinmeier und Genossen getrieben und er müsse aufpassen, nicht zum neuen Kirchhof zu werden. "Ich bin ganz bei Ihnen", ließ sich Guttenberg vernehmen.

Da war es wieder, das hässliche Kirchhof-Wort. Es war eine Warnung vor dem Helfer-Populismus der SPD, der die orientierungslose Partei herausholen soll aus ihrem Dauertief und die nach wie vor populäre Angela Merkel aus ihrem Umfragehoch. Guttenberg aber wirkte im Fernsehstudio wie der Ritter vor den Windmühlen, dem auch noch die Lanze gebrochen ist.

Und doch: Was jetzt noch wie eine Niederlage für den CSU-Aufsteiger wirkt, kann in Kürze schon ein Sieg sein. Nicht auszuschließen, dass die Jubelpose Steinmeiers in jener Nacht vor dem Kanzleramt ihm noch richtig schaden wird - und Guttenberg nachträglich triumphiert als jemand, der Recht behalten hat und nicht eingeknickt ist.

Rüsselsheim als Russenheim

Tatsächlich sind die Erfolgsaussichten des Magna-Konsortiums viel zu ungewiss. Es setzt ganz - mit dem Staat des Premiers Wladimir Putin als Treiber - auf Erfolge in Russland. Rüsselsheim als Russenheim, das ist tatsächlich eine sehr riskante Perspektive.

Für den Steuerzahler könnten immer neue Lasten anfallen. Und wichtige Punkte sind zwischen allen Beteiligten noch gar nicht geklärt. Schon die Insolvenz von General Motors am Pfingstmontag könnte neue Überraschungen bringen.

Zur Ehrenrettung des Karl-Theodor zu Guttenberg ist also zu sagen, dass die Mechanismen der Mediengesellschaft kleine Siege schnell zu totalen Triumphen machen - und ein kleines Scheitern zum große Versagen. In jener Nacht hat der Minister aber nicht anderes gemacht, als in einer Schar von Tages-Opportunisten Widerstand geleistet und das Gehirn nicht abgeschaltet. Er blieb sich treu. Das mobilisiert immerhin schon mal seine CSU.

Wetten, dass sich das bald herumspricht? Guttenberg wird es demnächst vermutlich in einer Talkshow erklären, vielleicht diesmal bei "Anne Will".

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