Gut so, schlecht so (9):Das Duell als Farce

Vier Jahre ein Herz und eine Seele, nun Kombattanten im Studio: Merkel und Steinmeier. Das große TV-Duell sollte 2009 besser ausfallen. Die Kolumne zum Medienwahlkampf.

Hans-Jürgen Jakobs

Er hat sich fürchterlich aufgeregt, der große Guido Westerwelle, der sich - mindestens - als künftiger Bundesaußenminister sieht. Nein, er habe ganz und gar keine Lust auf ein "kleines TV-Duell" mit den Chefs der anderen kleinen der größeren Parteien, also mit den Top-Figuren der Grünen und der Linken - eine solche Runde schlägt die ARD vor. Das sei ja ein "B-Movie" im Vergleich zum "großen" TV-Duell zwischen Kanzlerin und Kanzlerkandidat, empört sich Westerwelle.

Merkel, Steinmeier, ddp

Setzten weder auf Krawall noch auf Kontur: SPD-Kandidat Steinmeier und CDU-Amtsinhaberin Merkel.

(Foto: Foto: ddp)

Man muss dem ambitionierten Wahlkämpfer nicht alles an Hybris durchgehen lassen, aber sein Verweis auf die B-Nummer macht eine andere Schwäche deutlich: die des vermeintlichen "A-Movies".

In diesem Wahlkampf gibt es keine A-Klasse der Fernsehduelle. Sie fällt aus. Die auf dem Spielplan bereits ohne Termin angesetzte TV-Auseinandersetzung zwischen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier müsste im Grunde bald ersatzlos gestrichen werden. Maybrit Illner, Peter Kloeppel und wie die journalistischen Sekundanten noch so heißen, sollten sich lieber auf andere Formate konzentrieren.

Über was, bitte schön, sollten sich Angela Merkel und der liebe "Frank" öffentlich vor Kameras streiten, wenn es um die letzten vier Jahre geht? Darüber, dass Opposition "Mist" ist, wie es der SPD-Chef Franz Müntefering einmal so hübsch ehrlich formulierte?

Da sitzen doch immerhin Kanzlerin und Vizekanzler, Chefin und Juniorchef, die beiden ranghöchsten Stellvertreter einer Arbeitsgemeinschaft auf Zeit, die sich "große Koalition" nennt. Diese Regierung hat sich recht und schlecht durch eine ganze Legislaturperiode laviert, immerhin. Von größeren Streitigkeiten ist das Verhältnis von SPD-Steinmeier zu CDU-Merkel dabei verschont geblieben, sieht man vielleicht einmal von den Eitelkeiten ab, wer wen nicht über eine Irak- oder Afghanistan-Reise informiert hat.

Die beiden, die sich da im Fernsehen duellieren sollen, fanden gemeinsam alle wichtige Themen dieser Regierung gut: Haushaltskonsolidierung, strengere Sozialpolitik, Bankenrettung, Opelrettung, Wiederentdeckung der amerikanischen Freundschaft, Afghanistan-Krieg, Nein zu Guantanamo-Gefangenen, Vorrang der Inneren Sicherheit. Hier arbeitete ein durch und durch pragmatisches Duo, ein politisch-technokratisches Spitzenpersonal, das auf Diplomatie und Moderation setzte, nicht auf Krawall und Kontur.

Quälende Regierungs-PR

Gemeinsam teilen Merkel und Herausforderer Steinmeier auch die Erfahrung sinkender Bedeutung. Beide maßen sich noch an, Protagonisten von "Volksparteien" zu sein, doch es sind Volksparteien ohne Volk, denen auch noch die Mitglieder in Scharen davon laufen. Die Union dümpelt weit unter 40 Prozent, die SPD sogar unter 30 Prozent.

Die Koalition ist ihnen, unter dem Aspekt der Publikumsgunst, nicht bekommen, und doch: Dass sie nach dem 27. September weitermachen, ist durchaus ein realistisches Szenario. Für die SPD ist es, bei Licht betrachtet, sogar die einzige Chance, nach elf Jahren Regierungsbeteiligung weiter zu machen. Da kann sich Steinmeier noch so sehr der Autosuggestion ergeben: "Wir gewinnen die Wahl!" Er spielt auf Rang zwei, auf ein möglichst viele Ministerposten unter Marschallin Merkel.

Plumpe Warnungen

Genau genommen ist das TV-Duell zwischen Merkel und Steinmeier eine Farce, eine Volksverdummung. Auf beißende Fragen der Journalisten zu der Zeit zwischen 2005 und 2009 - die ist ja nicht ganz unwichtig für die Wähler -, müssten die Kandidaten ehrlicherweise die Reihen schließen und im Duett PR machen. Und Themen der Zukunft bergen die Gefahr, dass Inszenierungen leicht durchschaut werden.

Steinmeier beispielsweise, der Architekt der Agenda 2010, gibt seit einigen Wochen den kämpferischen Hobby-Sozialisten, der auf einmal die Steuer für Spitzenverdiener erhöht, für Mindestlohn kämpft und die Jobs der Verlustschleuder Opel über russische Umwege erhalten will. Wo war er eigentlich, wo war seine SPD, als es darum ging, die Exzesse der Finanzwirtschaft rechtzeitig zu bannen? Und die plumpen Warnungen vor den "Marktradikalen", die es mit dem SPD-Sozialismus zu verhindern gelte, klingen merkwürdig hohl.

Und Angela Merkel? Sie war einmal die liberale Totalreformerin, die den Rückzug des Staates noch schriller verkündet hat als die marktradikalen Steinmeiers der SPD, was ihr mit einem vergleichsweise schlechten Wahlergebnis 2005 gedankt wurde; es reichte gleichwohl hauchdünn zur Kanzlerschaft. Den wählerwirksamen Teil des sozialdemokratischen Gedankenguts hat ihre Union inzwischen längst eingemeindet. So sind Union und SPD in Wahrheit keine Koalition, sondern eine Konvergenz eingegangen.

Was also soll da ein "großes" TV-Duell? Es würde etwas simulieren, was nicht ist: Streit. Der Fall liegt eben ganz anders als beim Medienkanzler Gerhard Schröder und seinen Kamerakappeleien mit Edmund Stoiber und Angela Merkel. Dass die beiden aktuellen Spitzenkandidaten für ein quotenträchtiges Fernsehspektakel nicht taugen, da Charisma und auch Charakter abgeht, ist ein eher nachrangiges Argument gegen die geplante Politshow-Sendung. Die anderen Gründe wiegen schwer genug.

Quälende Minuten

Kurzum: Der großen Koalition sollte im September 2009 keine große Bühne zur Selbstdarstellung bereitet werden. Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier stehen nicht für unterschiedliche Pole, für verschiedene Denkrichtungen und Strategien. Sie haben keine Lager hinter sich, kein konservatives und linksliberales Gefolge, sondern nur sich immer weiter reduzierende Truppen, die sich liebend gern über einfache Orientierungsfragen im offenen Feld zerstreiten.

Die Schlussfolgerung ist klar: Diesmal sollten ARD und ZDF, RTL und Sat 1 das Ganze einfach lassen und das große TV-Duell streichen. Es könnte sonst peinlich werden. Stattdessen sollten die Sender beispielsweise einfach eine Sendung wie "Die Favoriten" mit den Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien ausbauen. Sie könnte 120 Minuten statt der veranschlagten 75 Minuten laufen; sie sollte nicht einmal, sondern zweimal ausgestrahl werden: einen Gang über Wirtschaft, Soziales und Sicherheit, und einen zweiten über Krieg, Frieden, Obama und Putin.

Dann hätten die Leute etwas davon. Quälende Minuten von Regierungs-PR würden ihnen erspart. Dann müssten die Lavierer Merkel und Steinmeier Farbe bekennen - neben dem großen Leutebeglücker Seehofer von der CSU, dem Ökorealisten Özdemir von den Grünen, dem Genscheristen Westerwelle aus der FDP und dem verhinderten Sozialdemokraten Lafontaine.

Das wäre dann wirklich mal ein "A-Movie" in diesem denkwürdigen Wahlkampf, mitten in einer sich ausbreitenden Wirtschaftskrise.

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