Gut so, schlecht so (10):Die "Super-Nanny" der SPD

Bei familiären Problemen hilft Katharina Saalfrank, die "Super-Nanny" von RTL. Jetzt nimmt sie sich der überforderten SPD an. Die Kolumne zum Medienwahlkampf.

Hans-Jürgen Jakobs

Zu den Stars der neuen Gesellschaft Deutschlands gehört Katharina Saalfrank. Nur wer keinen Fernseher hat oder von Kindern partout nichts wissen will, kennt die 37-Jährige nicht.

Gut so, schlecht so (10): Katharina Saalfrank - die "Super-Nanny" wird politisch.

Katharina Saalfrank - die "Super-Nanny" wird politisch.

(Foto: Foto: ddp)

Katharina Saalfrank ist in der TV-Wirklichkeit der Republik die "Super-Nanny", der Star der gleichnamigen RTL-Erfolgssendung. Die Frau hilft Familien, die mit ihrem Nachwuchs einfach nicht mehr zurechtkommen.

Die Erfolgsliste der Katharina Saalfrank ist lang. Sie umfasst Familie H. aus Leer in Ostfriesland, Familie V. aus Kreuztal bei Siegen, Familie T. aus Wuppertal oder Familie S. aus Berlin. Von ihrem pädagogischen Bildungssender RTL wird sie als wahres "Coaching-Highlight" angepriesen.

Zur Schar ihrer dankbaren Klientel stößt nun eine alteingesessene Familie, die derzeit ein tiefes Tal der Tränen durchläuft und prominentes Coaching gut gebrauchen kann: Es handelt sich um die deutschen Sozialdemokraten.

Offiziell wird der Auftrag als Wahlkampfhilfe dargestellt. Danach werde die überzeugte Sozialdemokratin Saalfrank bis Ende Juli achtmal zusammen mit SPD-Generalsekretär Hubertus Heil auftreten, unter anderem in Kindergärten und Schulen. Das Duo will dabei öffentliche Debatten über Bildung und Erziehung leiten. Die Fernsehfrau sei eine "sehr kluge Gesprächspartnerin mit sehr viel Einfühlungsvermögen für die Probleme von Kindern und Eltern", lobt Heil.

Vor allem ist die "Super-Nanny" seit fast fünf Jahren im deutschen Fernsehen so erfolgreich, wie es die SPD gerne einmal wieder wäre. Einmal haben die Macher von RTL versucht, eine andere Diplom-Pädagogin neben Saalfrank zu etablieren, doch bald schon haben sie von diesem Plan wieder Abstand genommen. Die Mutter von vier Kindern hat sich mit ihrem ruhigen, zupackenden Stil eine Fangemeinde erobert. Sie greift durch, wo andere zaudern, und musste sich von der Zeit schon mal fragen lassen, ob sie eine "Domina der Kindererziehung" sei. Sie ist attraktiv.

Ein Modell des Erfolgs

Von ihrer televisionär erprobten Schnell-Therapie, von ihrem massenkompatiblen Erfolgskonzept will auch die SPD profitieren. Die Partei ist traditionell geschwächt, weil den Erziehungsberechtigten in der Führung etliche Rabauken in den vielen Gruppierungen dieser politischen Familie gegenüberstehen. Die größten Formationen heißen "Parlamentarische Linke", Netzwerker und "Seeheimer Kreis". Sie machen, was sie wollen, und einigen sich vor einer Bundestagswahl höchstens auf den Konsens, dass am besten ein Genosse Bundeskanzler werden sollte.

In diesem Jahr fiel die interne Wahl bekanntlich auf ein SPD-Mitglied, das noch nie in einem Wahlkampf um einen Parlamentssitz geführt hat, ein Greenhorn der Marktplätze also, der in diesen Tagen unter schwachen Umfragewerten leidet. Außenminister Frank-Walter Steinmeier will Kanzler werden. Die Lage der Partei ist - allen Anstrengungen der Autosuggestion zum Trotz - so trist, dass jetzt nur drastische Maßnahmen helfen können. Das ist der Erfolgscoach aus dem Privatfernsehen.

Super-Nanny statt Superman

Steinmeier selbst hat ja nichts unversucht gelassen. Er hat sich nach der vergeigten Europawahl in einem Solo von ARD-Talkmasterin Anne Will als verhinderter Superman quälen lassen, er steckte seinen Charakterkopf beim unverbesserlichen Johannes B. Kerner im ZDF unter die Motorhaube eines alten Citroen 2CV (Ente) und musste sich bei Maybrit Illner im gleichen Sender zwischen dem IG-Metall-Chef und Hans-Olaf Henkel behaupten.

Er hat zusammen mit einem Zeit-Journalisten eine Biographie geschrieben, die seine ostwestfälische Heimat den Leuten näher bringt, ohne dass es bis jetzt zum Volkstribun gereicht hätte. Steinmeier hat den Gähn-Faktor noch nicht überwunden. Seine Partei braucht Motivation.

Kurzum: Es ist Zeit für die "Super-Nanny". Für eine Frau, die der lärmenden Schar Grenzen setzt. Die Regeln fixiert und von "liebevoller Konsequenz" redet. Die zeigt, wie man Vereinbarungen auf gemeinsame Ziele schließt. Wie man unbeirrbar daran festhält, auch wenn alles schiefzulaufen droht. Wie man verlässlich wird. "Gehet raus und verkündet die Botschaft", sagt der Kandidat Steinmeier in letzter Zeit ja gerne in seinen Reden, aber den Jüngern fällt die Mission mit der Superfrau von RTL leichter.

Die nächste Familienministerin?

"Katia", wie sie vom Kölner Sender genannt wird, biete "eine fundierte Analyse der Situation und arbeitet mit Ihnen Lösungsansätze heraus, wie Sie den Familienalltag wieder in den Griff bekommen", betont RTL. Damit hat sie reichlich Quoten gebracht. Warum also soll sie der SPD nicht Stimmenprozente bringen? Katharina Saalfrank hat es in ihren Fällen mit überforderten Eltern und prügelnden, krakeelenden Kindern zu tun - und behält doch die Oberhand.

Auch wenn eine Folge ihrer Sendung schon mal "Terror an der Tagesordnung" heißt: Sie gibt den Rat, inmitten von Chaos zum Beispiel immer wieder wichtige Sätze zu sagen wie: "Ich möchte, dass du dich auf den Hocker setzt". Das hilft. Am Ende ist die Familie gerettet - und die SPD vielleicht Mehrheitspartei im Bundestag.

In der sozialdemokratischen Familie breitet sich ja hinter den Kulissen bereits Aggression aus, weil nach elf Jahren Beteiligung an der Bundesregierung die Chance auf Machterhalt nur noch mikroskopisch klein zu sein scheint. Schon wird der Vorsitzende Franz Müntefering angezweifelt, der ja dieses Amt schon einmal aufgegeben hat und von dessen Rückkehr sich die Genossen einen Schub versprochen hatten - und nicht, dass er am Abend vor dem Parteitag mit der Präsentation seiner jungen Freundin dem Kandidaten Steinmeier die Show stiehlt. Im Fall eines Desasters am 27. September ist Müntefering weg. Er ist kein Erfolgscoach, das ahnen sie in der SPD.

Reality-TV wirkt

Katharina "Katia" Saalfrank ist ein Erfolgscoach. Von ihr lernen heißt, siegen lernen. Das haben sie in der SPD begriffen. Reality-TV wirkt. Und so starten sie mit ihr im nordrhein-westfälischen Velbert in den Wahlkampf.

Unterdessen konkretisiert sich das Schattenkabinett, mit dem Steinmeier bis zum Wahltermin punkten will. "Wahlen gewinnt man nicht alleine", weiß er, und sagt, was er mit Blick auf den 27. September 2009 immer sagt: "Alles ist möglich." Am Ende sogar, dass Katharina Saalfrank Familienministerin wird?

Fragt sich nur, wie die RTL-Gruppe den pädagogischen Fremdauftrag ihres Stars sieht. Bei der öffentlich-rechtlichen ARD sind sie ja viel strenger: Weil der Schauspieler Peter Sodann für die Linke als möglicher Bundespräsident kandidierte, konnten alte "Tatort"-Folgen mit dem Fernsehkommissar nicht mehr ausgestrahlt werden. Sieht man künftig, wenn die "Super-Nanny" auf RTL therapiert, die SPD? Oder vielleicht Frank-Walter Steinmeier? Wenn das Durcheinander im Kinderzimmer immer größer zu werden scheint, renitente Kinder bei RTL Vater und Mutter schlagen und "Katia" trotzdem die Ruhe behält, denken die Zuschauer dann ans Schattenkabinett?

Der Familie SPD kann das egal sein. Auch die Kritik des Wissenschaftlers Jan-Uwe Rogge, bei dem TV-Format "Super-Nanny" handele es sich "nicht um Erziehung, sondern um Dressur", wird sie nicht erreichen. Intellektuelles Gedöns! Und mit dem Vorwurf des Spiegel, die Sendung bediene "Voyeurismus, Schadenfreude und Besserwisserei des Publikums", können Steinmeier, Heil und die anderen Hilfesuchenden vermutlich auch nichts anfangen.

Sie haben einfach ein Problem. Und das muss weg. "Super-Nanny" hilf!

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