Guido Westerwelle in der Kritik:Außenminister auf Abruf

Die einen schweigen, andere betonen wortreich, dass sie hinter Guido Westerwelle stehen. Doch hinter vorgehaltener Hand werden die Gerüchte um einen Rücktritt des Außenministers in der FDP immer lauter. Nur die anstehenden Landtagswahlen scheinen Westerwelle noch im Amt zu halten. Die Debatte ist da, der Siedepunkt fast erreicht.

Thorsten Denkler, Berlin

Die Pressekonferenz wurde vorsichtshalber abgesagt, doch totschweigen ließ sich das Thema nicht mehr. FDP-Generalsekretär Christian Lindner machte Terminschwierigkeiten geltend, um sich nicht zu der Debatte um Guido Westerwelle äußern zu müssen. Seine obligatorische Montagskonferenz fiel überraschend aus.

Trittin: Ruecktrittsforderungen gegen Westerwelle 'ruecksichtslos'

Guido Westerwelle bei einer Pressekonferenz im Auswärtigen Amt.

(Foto: dapd)

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte hingegen, die Gerüchte um einen Rücktritt seien "frei erfunden". Und Regierungssprecher Steffen Seibert verkündete, Merkel arbeite "vertrauensvoll" mit ihrem Außenminister zusammen.

Es scheint ziemlich schlimm um Guido Westerwelle zu stehen, wenn das extra betont werden muss.

In seiner Partei kracht es wieder einmal gewaltig, nachdem sich der Außenminister, erst im Frühjahr als Parteichef abgesägt, in peinliche Rechtfertigungsversuche seiner Enthaltung zum Libyen-Einsatz der Nato verstrickt hat. Nachfolger Philipp Rösler ließ gewisse Schwierigkeiten erkennen, Westerwelle zumindest zu einem kleinen Lob an die Nato zu bewegen.

Erst als Rösler der Militärallianz öffentlich für ihr Engagement in Libyen Respekt zollt, zeigt auch Westerwelle Anerkennung für die transatlantischen Partner - versteckt in einem außenpolitischen Rundumschlag in der Welt am Sonntag. Bei der Eröffnung einer Botschafterkonferenz in Berlin am Montag legt er nach: "Deutschland ist auch künftig bereit, international Verantwortung zu übernehmen", sagt Westerwelle. Genau daran dürften nach seiner Enthaltung im Weltsicherheitsrat aber einige Nationen zweifeln.

"Das Außenamt ist nicht Erbhof einer Partei"

Die Hinweise verdichten sich, dass die Zeit des Außenministers abläuft. Der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt verlangt, dass Amt solle künftig von der Union besetzt werden - und sorgt für einen Affront gegenüber der FDP. "Das Außenamt kann nicht der Erbhof einer Partei sein. Westerwelle hat weder Freude an seinem Amt noch Fortune", sagte Posselt zu sueddeutsche.de. "Er wirkt unglücklich und strahlt Lustlosigkeit aus". In der Union gebe es hingegen viele außenpolitisch versierte Köpfe.

Aber auch bei den Liberalen werden die Rücktrittsforderungen wieder lauter - allen Beteuerungen der Parteispitze zum Trotz. Schon als es um den Parteivorsitz ging, stand nach den einhelligen Bekundungen der FDP-Führungsriege eine Demission Westerwelles überhaupt nicht zu Debatte. Bis sich an einem Sonntag nach der völlig verkorksten Wahl in Baden-Württemberg Lindner, Rösler und Westerwelle auf einen Neustart einigten. So könnte es Westerwelle auch jetzt ergehen.

Noch wird in der FDP-Führung gezögert und gezaudert. Eine derart wichtige Personalfrage wollen sie nicht so kurz vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin hochkochen lassen. Allerdings: Die Debatte ist längst da. Und der Siedepunkt ist fast erreicht.

Der Spiegel berichtet, Rösler habe einem Vertrauten gesagt, sein öffentliches Lob an die Nato sei der erste Schritt, Westerwelle loszuwerden. Wenn das stimmt, ist Westerwelle praktisch zum politischen Abschuss freigegeben. Wer Westerwelle kennt, der weiß: Das wird er nicht auf sich sitzen lassen.

Zwei mögliche Nachfolger

Noch hat Westerwelle Unterstützer in seiner Partei. Da gibt es viele, die heute ohne seine Wahlerfolge bis zum historischen Sieg bei der Bundestagswahl 2009 nicht da wären, wo sie heute sind. Fast alle Funktions- und Mandatsträger der FDP haben Westerwelle ihre politische Existenz zu verdanken.

Hinzu kommt: Rösler hat sich bisher nicht als die Wunderwaffe entpuppt, für die ihn viele gehalten haben. Die Umfragewerte der FDP sind immer noch im Keller, das Ansehen der Partei nach wie vor desolat.

Hoffen auf einen Befreiungsschlag

Manche hoffen jetzt auf einen Befreiungsschlag. Westerwelle muss weg, koste es, was es wolle. Mit ihm in der Führung könne der Neuanfang nicht gelingen. So denken viele, öffentlich sagen will es keiner. Von den Altvorderen Gerhart Baum und Hans-Artur Bauckhage mal abgesehen, die in der vergangenen Woche mit Rücktrittsforderungen gegen Westerwelle von sich reden machten.

Ein nicht unwesentliches Problem ist jedoch die Frage des Nachfolgers. Die Außenpolitik, einst Kernbestandteil liberaler Identität, hat unter Westerwelle ein Dasein gefristet, dass es vorher - etwa unter Hans-Dietrich Genscher - nie hatte. Westerwelle selbst hat sich auf das Amt nicht wirklich vorbereitet. Er hat es aus rein machtstrategischen Gründen gewählt, nicht weil er auf dem Gebiet besondere Kenntnisse oder Vorlieben gehabt hätte.

In Frage kommen für den Job im Grunde nur zwei Personen: Werner Hoyer und - mit Abstrichen - Alexander Graf Lambsdorff, der Neffe des ehemaligen Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff.

[] Werner Hoyer, 59, ist einer der wenigen ausgewiesenen Außenpolitiker der FDP. Er betreibt das Geschäft seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Positionen, derzeit als Staatsminister im Auswärtigen Amt. Manche sagen, ohne Hoyers Expertise wäre Westerwelle im Amt längst untergegangen. Hoyer ist kein Lautsprecher. Dafür aber einer, der das Amt ohne Besserwisser-Attitüde leiten könnte. Hoyer könnte den wichtigen Ministerposten von heute auf morgen übernehmen.

[] Alexander Graf Lambsdorff, 44, ist seit kurzem Chef der FDP-Gruppe im Europäischen Parlament und hat schon eine steile Diplomaten-Karriere hinter sich. Er gehörte dem Planungsstab des Auswärtigen Amtes an, war Länderbeauftragter für Russland, Botschaftsmitarbeiter in Washington und leitete von 1998 bis 1999 das Bundestagsbüro von Ex-Außenminister Klaus Kinkel. Allerdings ist er gerade erst in eine führende Position gekommen und kennt als Europapolitiker das Berliner Politikparkett längst nicht so gut wie Hoyer.

Am Dienstag beginnt auf Schloss Bensberg bei Köln die dreitägige Herbst-Klausur der FDP-Bundestagsfraktion. Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich dort - trotz aller Unzufriedenheit - ein Aufstand gegen Westerwelle entwickelt.

Westerwelle habe jetzt keinen Schuss mehr frei, spekulieren einige in der Fraktion. Der erste Fehler, den sich der Außenminister nach der letzten Landtagswahl in diesem Jahr am 18. September in Berlin erlaubt, könne ihm aus dem Amt katapultieren.

So kommt es am Ende wohl darauf an, wer feststellt, ob Westerwelle einen Fehler gemacht hat - oder nicht.

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