Außenminister Guido Westerwelle:Ein Tag im Krieg

Kontrollposten, Panzer und eine Fahrt in einer Bleiweste: Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle besucht Bagdad und versucht dort, Zuversicht zu verbreiten.

Janek Schmidt, Bagdad

Er wollte in seinem Leben schon immer der erste sein, und zumindest im Himmel über Bagdad ist Außenminister Guido Westerwelle an diesem Samstagmorgen kurz davor. Seit der irakischen Parlamentswahl vor neun Monaten ist kein westlicher Außenminister in die Hauptstadt am Tigris gereist. Zu verworren war bislang das Feilschen von Schiiten, Sunniten und Kurden um eine Regierungsbildung, zu gefährlich fanden viele Ausländer einen Besuch in der umkämpften Stadt.

Westerwelle im Irak

Guido Westerwelle (FDP) auf dem Flug von Amman nach Bagdad.

(Foto: dpa)

Doch dann gelang dem bisherigen Premier Nuri al-Maliki ein Durchbruch; er erhielt Ende November eine 30-Tage-Frist für die Zusammensetzung einer Regierung. Um möglichst früh mit künftigen Machthabern zu sprechen, hat Westerwelle einen Blitzbesuch beschlossen und sitzt nun in einer Transall im Landeanflug auf eine der gefährlichsten Städte der Welt.

Schon auf dem Rollfeld erkennt der Minister, wie angespannt die Lage in Bagdad ist. Eine Fahrzeugkolonne wartet dort auf ihn, an der Spitze ein viereinhalb Tonnen schwerer gepanzerten Jeep, in den sich Westerwelle mit der neun Kilogramm schweren Schutzweste zwängen muss. Kurz vor der Flughafenausfahrt bremsen die Geländewagen noch einmal, damit die Männer der privaten Sicherheitsfirma Sabre in den Autos ihre Waffen durchladen können, bevor es raus aus der gesicherten Zone geht.

Die Fahrt führt vorbei an Kontrollposten und Panzern, die Straße ist mit 3,70 Metern hohen Schutzwänden gesichert; nach 20 Minuten trifft Westerwelle im Außenministerium ein. Die vielen Fotografen begrüßt er mit der Frage, wie viele Zeitungen es im Irak gebe. Auf die Auskunft des kommissarischen irakischen Außenministers, Hoschiar Zebari, dass es auf jeden Fall mindestens 40TV-Kanäle gebe, reagiert Westerwelle erfreut: "Gut", bricht es aus ihm hervor, "wir finden jeden Wettbewerb gut."

Das sollte sicher auflockern, wirkt aber eigentümlich auf die irakischen Gastgeber, deren Land noch immer unter dem tödlichen Machtkampf der Religionsgruppen leidet. Sie schauen ein wenig verunsichert, danken dann aber doch ihrem Gast recht herzlich, dass er mit seinem Besuch vor Abschluss der Bagdader Regierungsverhandlungen ein Zeichen des Vertrauens in seine irakischen Partner setze.

Ja, ein Signal des Optimismus möchte der deutsche Außenminister setzen: Es ist nicht alles schlecht im Irak. Bald nach dem Auftritt im Außenministerium spricht er über die wirtschaftliche Kooperation mit Bagdad, unterzeichnet ein Abkommen zum Schutz von Investoren, sagt: "Wir wollen deutsche Unternehmen bestärken, Chancen im Irak zu nutzen." Im Pressezentrum am Amtssitz des designierten Premiers Maliki sind noch Stoffhüllen über Stühle, Mikrofone und Video-Projektoren gezogen und zeugen so vom neunmonatigen Stillstand der Regierungsarbeit. Doch der Festsaal, einen Flur weiter, ist hell erleuchtet.

Ein Attentat im benachbarten Distrikt

Hoffnungszeichen, die Stefan Judisch gerne sieht. Der Gas-Chef des Energiekonzerns RWE begleitet mit neun weiteren Wirtschaftsvertretern den Außenminister in Bagdad. "Wenn hier die Regierung steht, wollen wir einen Vertrag über Gaslieferungen für die Nabucco-Pipeline schließen", sagt er. Seit Jahren verzögert sich der Bau der Röhre, da Abkommen mit Lieferländern fehlen. So könnte eine Übereinkunft mit dem Irak den entscheidenden Anstoß für den Baubeginn geben.

Während Judisch noch mit Regierungsvertretern über Gasrechte diskutiert, zieht Westerwelle wieder seine Bleiweste über, um eine letzte heikle Fahrt anzutreten: zur deutschen Botschaft. Sie liegt außerhalb der stark geschützten grünen Zone. Erst im April nutzten Attentäter die weniger strenge Überwachung und zündeten vor dem Gebäude eine Autobombe, die einen irakischen Mitarbeiter tötete. Noch während der Fahrt des Ministers, berichten Sicherheitskräfte in der Botschaft von Attentaten, bei denen soeben in einem benachbarten Distrikt 14 Menschen starben. Doch gelten die Angriffe schiitischen Pilgern, so bleibt Westerwelles Fahrt ungestört.

Trotz der Sicherheitsbedenken ist Westerwelle die Fahrt zur Botschaft wichtig. Er bekundet den Mitarbeitern dort seine Solidarität, er trifft sich dort auch mit Vertretern der irakischen Christen, deren Leben immer stärker in Gefahr gerät. Erst im Oktober waren bei einem Angriff auf eine Bagdader Kirche mehr als 50 Gläubige gestorben.

Nun, im Garten der Auslandsvertretung, sagt ihnen Westerwelle Hilfe zu: "Wir werden unseren Einfluss nutzen, damit religiöse Toleranz gelebt werden kann."Damit kommt er dem Wunsch vieler Gläubigen aber auch irakischer Regierungsvertreter nach. Sie hatten ihn zuvor gebeten, seinen Beitrag zu leisten, dass nach der Flucht von 800.000 Christen seit dem Krieg 2003 zumindest die übrigen 400.000 Gläubigen bleiben.

So kann Westerwelle noch im Sonnenuntergang an den Bagdader Flughafen zurückkehren, mit der Gewissheit einer gelungenen Reise - und der kleinen Freude, dass er nebenbei den italienischen Außenminister ausgestochen hat. Der reist erst einen Tag später nach Bagdad.

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