Corona in Gütersloh:Sind die Fälle überschaubar, müssen es auch die Einschränkungen sein

20.06.2020 - Coronavirus - Wohnsiedlung von Tönnies-Mitarbeitern in Quarantäne: Über laufende Entwicklungen des Corona-

Polizisten in einer Wohnsiedlung von Tönnies-Mitarbeitern

(Foto: imago images/Noah Wedel)

Verhältnismäßigkeit ist ein wichtiger Begriff, wenn es um Grundrechte geht. Das zeigt nun auch Gütersloh. Der Ausbruch konzentriert sich auf Tönnies - das rechtfertigt nicht, den gesamten Kreis in Mithaftung zu nehmen.

Kommentar von Wolfgang Janisch

Als die Corona-Krise über das Land hereinbrach, konnte einem schon der Atem stocken. Freiheitsbeschränkungen in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß wurden von der Justiz ganz überwiegend bestätigt. Nein, die Gerichte haben in ihrer Rolle als Verteidiger der Freiheit nicht versagt. Aber sie haben, ebenso wie die Behörden, übervorsichtig agiert, einfach deshalb, weil man über die Infektionsrisiken zu wenig wusste.

Dass damit nun Schluss ist, das zeigt der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen zur Corona-Verordnung in Gütersloh. Das Gericht hat, völlig zu Recht, die Beschränkungen für den gesamten Kreis für rechtswidrig erklärt und damit vorgeführt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein präzises Instrument zum Schutz der Grundrechte ist. Weil Infektionen im Wesentlichen nur bei den Tönnies-Mitarbeitern festgestellt worden sind, darf nicht der gesamte Kreis in Mithaftung genommen werden - übrigens ein Resultat sinnvoll eingesetzter Massentests.

Es zeigt sich: Je genauer das Wissen über die Risiken, desto schonender sind die Eingriffe in die Freiheit. Der Beschluss aus Münster ist damit ein Lehrfall für die kommenden Monate. Flächendeckende Beschränkungen dürfen nicht Standard bleiben. Sonst würde das Grundrecht auf Freiheit wirklich notleidend.

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