Sie wundert sich nicht, dass sie nun ständig auf ihren Vater angesprochen wird. Nichts anderes hat sie erwartet. Zury Ríos, 47, sagte dieser Tage auf einer Pressekonferenz: "Wenn sich eine Frau um ein hohes Amt bewirbt, dann heißt es ja oft, sie könne das nur, weil sie die Tochter von diesem oder die Frau von jenem Mann sei." Das klingt, als ginge es hier um Gender-Themen, zweifellos ein vernachlässigtes Feld in Lateinamerika. Im Fall von Zury Ríos geht es aber um etwas anderes.
Sie bewirbt sich für das höchste Amt, das in Guatemala zu vergeben ist, im September will sie sich zur Staatspräsidentin wählen lassen. Vor wenigen Tagen hat sie feierlich ihre Kandidatur angekündigt: "Vor Gott und vor allen stelle ich mich der Verantwortung, dem Volk zu dienen." Die Frage ist aber nicht, ob sie wegen ihres Vaters eine Chance dazu bekommt, sondern trotz ihres Vaters. Der ist nicht als Diener des Volkes in Erinnerung geblieben.
Beim Völkermord-Prozess hielt sie die Hand des Vaters
Efraín Ríos Montt, genannt "der Schlächter der Indios", gilt als einer der blutrünstigsten Diktatoren in der Geschichte dieses Kontinents. Er war nur 16 Monate an der Macht, von März 1982 bis August 1983.
Nach allem, was man weiß, hat er es trotzdem geschafft, das dunkelste Kapitel in dem über drei Jahrzehnte dauernden guatemaltekischen Bürgerkrieg zu schreiben. In einem UN-Bericht wird er für ein Massaker an 1770 Ureinwohnern der Maya verantwortlich gemacht, 448 Dörfer sollen seine Schergen plattgewalzt haben. Im Alter von 87 Jahren wird Ríos Montt derzeit wegen Völkermordes angeklagt.
Als ihr Vater 1982 mit einem Militärschlag die Macht übernahm, war Zury Ríos 14 Jahre alt. Sie hat schon recht, wenn sie sich dagegen wehrt, in Sippenhaft genommen zu werden. Vor dem Gott, von dem sie spricht, ist zunächst einmal jeder Mensch für seine eigenen Taten verantwortlich. Und vor den Wählern ebenso.
Dass ihr Vater ein brutaler Schlächter war, heißt ja nicht, dass sie keine gute Demokratin sein kann. "Ich habe eine klassische liberale Ausbildung, ich glaube an die Republik und an eine Regierung mit Gewicht und Gegengewichten", verkündete sie in ihrer ersten Wahlkampfrede.
Was viele Demokraten Guatemalas an Zury Ríos stört, ist aber weniger das, was sie sagt, sondern das, was sie nicht sagt. Sie hat sich nie öffentlich von ihrem Vater distanziert. Beim Völkermordprozess in Guatemala-Stadt hielt sie bislang treu seine Hand, als er im Krankenbett in den Gerichtssaal geschoben wurde. "Ich liebe, respektiere und unterstütze meinen Vater, so wie ich das ganze Volk Guatemalas unterstützen werde", sagt Zury Ríos.
Vertreter von Opferverbänden halten solche Sätze für eine Provokation. "Ihre Kandidatur macht uns sehr betroffen, weil sie leugnet, dass es in diesem Land einen Völkermord gegeben hat", zitieren lokale Medien den Aktivisten Benjamin Geronimo.
Der Prozess gegen Efraín Ríos Montt ruht gerade. Manche sagen auch, er wird erfolgreich verschleppt. Dabei hat es im Mai 2013 sogar schon ein Urteil gegeben. Damals wurde Ríos Montt des Völkermordes und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen und zu 80 Jahren Haft verurteilt. Der Schuldspruch wurde als historisch gewertet, vor allem, weil er vor einem einheimischen Gericht zustande kam. Das war allerdings auch Teil des Problems.
Zury Ríos - keine politische Anfängerin
Wegen angeblicher Verfahrensfehler wurde das Urteil wenige Tage später aufgehoben. Im Januar 2015 startete der Prozess bei null. Allerdings nur für ein paar Stunden, dann wurde er wegen eines Befangenheitsantrags gegen die Vorsitzende Richterin auf unbestimmte Zeit unterbrochen.
Die Anwälte Ríos Montts hatten argumentiert, die Richterin sei nicht unabhängig, weil sie ihre Doktorarbeit über den Völkermord in Guatemala geschrieben habe. Bis ein neuer Richter gefunden ist, steht der Angeklagte unter Hausarrest.
Tochter Zury ist alles andere als eine politische Anfängerin. Sie saß bereits für die rechtspopulistische Partei der "Republikanischen Front Guatemalas" im Parlament, die ihr Vater gegründet hat.
Außerdem ist sie mit dem früheren US-Kongressabgeordneten Jerry Weller verheiratet, einem erzkonservativen Republikaner aus Illinois. Das täte im Grunde nichts zur Sache, wenn es nicht jene Republikaner unter dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan gewesen wären, die Efraín Ríos Montt im Krieg gegen sein eigenes Volk unterstützten.